Dr. Holger Niehaus, Detlef Burhoff
Rdn 311
Literaturhinweise:
Mitsch, Bußgeldvereitelung durch Selbstbezichtigung gegenüber der Verkehrsbehörde, NZV 2016
564
Niehaus, Strafbare Veranlassung der unwahren Selbstbezichtigung im Ordnungswidrigkeitenverfahren?, DAR 2015, 720
Seebode, Die unterlassene Rücksendung des Fragebogens im Ordnungswidrigkeits- und Strafverfahren, NJW 1988, 1768
Scheffler/Matthies, Zum rechtlichen Gehör bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, NZV 2007, 607.
Rdn 312
1. Im Bußgeldverfahren ist der Betroffene gem. § 55 Abs. 1 i.V.m. § 163a Abs. 1 StPO vor Abschluss der Ermittlungen anzuhören. Häufig geschieht das durch die Zusendung eines Anhörungsbogens, worin dem Betroffenen der Vorwurf mitgeteilt (§§ 163a Abs. 4 S. 1, 136 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1) und ihm Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben wird. Auch im Fall einer schriftlichen Anhörung ist der Betroffene über sein Schweigerecht gem. § 136 Abs. 1 S. 2, § 163a Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 S. 2 StPO i.V.m. §§ 46 Abs. 1, 55 zu belehren.
☆ Ist die Fahrereigenschaft ungeklärt , wird der Halter als Zeuge angeschrieben.Fahrereigenschaft ungeklärt, wird der Halter als Zeuge angeschrieben.
Rdn 313
2. Der Betroffene hat ein Recht auf Anhörung. Dies folgt aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG (KK/Lutz, § 55 Rn 3; zur Praxis Scheffler/Matthies NZV 2007, 607). Während der Beschuldigte im Strafverfahren förmlich zu vernehmen ist und ihm nur in einfachen Sachen Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt werden kann (§ 163a Abs. 1 StPO), ist die Ausgestaltung der Anhörung im Bußgeldverfahren gesetzlich nicht geregelt und daher formfrei (Göhler/Gürtler, § 55 Rn 4). Daraus folgt, dass eine förmliche Vernehmung und Protokollierung zwar möglich, aber nicht zwingend ist (KK/Lutz, § 55 Rn 9; anders § 163b Abs. 2 StPO, der im Strafverfahren auch für polizeiliche Vernehmungen gilt, vgl. BGH NStZ 1995, 353). Bei einer Anhörung an Ort und Stelle genügt eine Inhaltsangabe der Äußerung in den Akten (Göhler/Gürtler, a.a.O.).
☆ Unterbleibt die Anhörung , so ist dies allerdings unschädlich und macht den Bußgeldbescheid nicht unwirksam, weil das Recht auf rechtliches Gehör im Einspruchsverfahren nachgeholt werden kann ( Göhler/Gürtler , § 55 Rn 6). die Anhörung, so ist dies allerdings unschädlich und macht den Bußgeldbescheid nicht unwirksam, weil das Recht auf rechtliches Gehör im Einspruchsverfahren nachgeholt werden kann (Göhler/Gürtler, § 55 Rn 6).
Rdn 314
2.a) Der Umfang der Belehrung ist in § 136 Abs. 1 S. 2, § 163a Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 S. 2 StPO i.V.m. §§ 46 Abs. 1, 55 geregelt. Zu beachten sind die gegenüber dem Strafverfahren bestehenden Einschränkungen in § 55 Abs. 2. Geboten ist danach (nur) die Belehrung über Schweigerecht. Ob die Belehrung zu erfolgen hat, bestimmt sich nach dem Verfahrensstand oder der Stärke des Tatverdachts.; → Belehrung des Betroffenen, Rdn 408). Bei einer unterbliebenen oder unzureichenden Belehrung kann ein Verwertungserbot geltend gemacht werden (→ Belehrung des Betroffenen, Rdn 418 ff.).
Rdn 315
3.a) Der Betroffene ist nicht verpflichtet, einen Anhörungsbogen zurückzusenden. Zwar handelt gem. § 111 ordnungswidrig, wer gegenüber der zuständigen Behörde Angaben zur Person verschweigt (Namen, Beruf, Geburtstag und -ort sowie Familienstand, Adresse und Staatsangehörigkeit). § 111 begründet aber keine Auskunftspflicht, sondern setzt diese voraus (KK/Rogall, § 111 Rn 25). Eine gesetzliche Pflicht, Anfragen schriftlich zu beantworten, gibt es nicht (und auch keine Pflicht, dafür Portokosten aufzuwenden; a.A. OLG Hamm NJW 1988, 274 [der Tatbestand des § 111 könne auch durch bloßes Unterlassen erfüllt werden, allerdings nur, wenn aus dem Anhörungsbogen unzweifelhaft hervorgeht, dass gerade auch die Identitätsfeststellung beabsichtigt ist]; dagegen zutr. Seebode NJW 1988, 1768; zum Umfang der Auskunftspflicht auch noch OLG Hamm VRS 111, 282 = VRR 2007, 113).
Rdn 316
Ohnehin besteht für § 111 kein Raum, wenn der Behörde die für die konkrete Verfahrensbearbeitung notwendigen Daten bekannt sind und die Identität des Betroffenen feststeht. Angaben über den Namen, Geburt und die Adresse hinaus sind bei einer geringfügigen Verkehrsordnungswidrigkeit nur ausnahmsweise erforderlich, wenn ausdrücklich danach gefragt wird und die Angaben für eine sichere Identitätsfeststellung benötigt werden (BayObLG NJW 1979, 1054; OLG Dresden NZV 2005, 653 = StraFo 2005, 391; OLG Hamm NJW 1988, 274; Göhler/Gürtler, § 111 Rn 4). Aus der Tatsache, dass den Betroffenen das Schreiben erreicht hat, dürfte in aller Regel folgen, dass der Behörde die für die Verfolgung notwendigen Daten bereits bekannt sind. Dagegen meint Schupp, auch die Angaben zum Beruf seien generell erforderlich, weil dies für die Behörde zur Bemessung der Geldbuße von Belang sei (NJW 1979, 2240). Diese Auffassung ist falsch. Durch die Bußgeldandrohung nach § 111 soll die Identitätsfeststellung gewährleistet werden. Alle Fragen, die sich auf einen etwaigen Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch...