Dr. Holger Niehaus, Detlef Burhoff
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Der Ablehnungsantrag in der Hauptverhandlung muss "unverzüglich" nach Bekanntwerden des Ablehnungsgrundes gestellt werden. |
2. |
Nach dem Zeitpunkt des § 25 Abs. 1 StPO kann die Ablehnung nur noch auf nachträglich bekannt gewordene Umstände gestützt werden. |
3. |
Im Ablehnungsantrag kann auch beantragt werden, zu der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters Stellung nehmen zu können. |
Rdn 28
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Ablehnung eines Richters, Allgemeines, Rdn 1.
Rdn 29
1. Nach Bekanntwerden eines Ablehnungsgrundes sollte der Verteidiger in der HV wegen des Unverzüglichkeitsgebotes des § 25 Abs. 2 StPO i.d.R. sofort um eine Unterbrechung der HV für eine unaufschiebbare Prozesshandlung nachsuchen. Unterbricht der Vorsitzende die HV nicht, muss der Verteidiger, um die Zulässigkeit des späteren Befangenheitsantrags sicherzustellen, die Protokollierung seines Unterbrechungsantrags herbeiführen (Burhoff, HV, Rn 54).
Rdn 30
Gem. § 26 Abs. 1 StPO ist der Antrag an das Gericht zu richten, dem der von dem Antrag betroffene Richter angehört. Das Ablehnungsgesuch kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle, in der HV auch mündlich gestellt werden. Der Betroffene kann frei entscheiden, welchen Weg er wählt (BGH StV 2005, 531). Es sind jedoch gem. § 26 Abs. 2 S. 1 StPO die Ablehnungsgründe und in den Fällen des § 25 Abs. 2 StPO die Voraussetzungen des rechtzeitigen Vorbringens glaubhaft zu machen (→ Ablehnungszeitpunkt, Rdn 60). Dabei ist gem. § 26 Abs. 2 S. 3 StPO die Bezugnahme auf die dienstliche Äußerung des Richters möglich. Der Antragsteller muss zu dieser dienstlichen Äußerung vor Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gehört werden (BGH MDR 1974, 367 [D]). Deshalb kann der Verteidiger in seinen Antrag auch aufnehmen, dass ihm die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters vor einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zugänglich gemacht werden möge, da aus dem Inhalt der dienstlichen Erklärung sich möglicherweise eine Bestätigung oder ein neuer Ablehnungsgrund ergibt (vgl. das Antragsmuster bei Rdn 37).
Rdn 31
Inhaltlich müssen gem. § 26 Abs. 2 S. 1 StPO alle Umstände dargelegt werden, auf die die Ablehnung gestützt wird. Dies erfordert ein Tatsachenvorbringen; eine Darlegung allein mit dem Inhalt, der Richter sei unverschämt oder unsachlich, reicht nicht aus.
Rdn 32
Die beanstandeten Äußerungen müssen detailliert mitgeteilt werden. Der Verteidiger sollte eine umfassende Sachverhaltsschilderung abgeben. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Ablehnungsgesuch wegen einer völlig ungeeigneten Begründung, die nach Ansicht der Rechtsprechung einer fehlenden Begründung gleichgestellt ist, als unzulässig i.S.d. § 26a Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 verworfen wird (BVerfG NJW 2004, 3410; StraFo 2006, 232; BGH NStZ 2004, 630; BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 20 [Gründe]; KG StV 2014, 145 = NStZ 2014, 273; Burhoff, HV, Rn 64 m.w.N.). Eine Bezugnahme auf andere Akten ist grds. nicht zulässig (BayObLGSt 1952, 188), wohl aber auf die Prozessakten selbst, wenn sich die Ablehnungstatsachen aus ihnen ergeben (MüKo-StPO/Conen/Tsambikakis, § 26 Rn 10). Nach § 26 Abs. 1 S. 2 StPO kann das Gericht dem Antragsteller aufgeben, ein in der Hauptverhandlung angebrachtes Ablehnungsgesuch innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich zu begründen. Erfolgt die Begründung nicht fristgerecht, so kann das Ablehnungsgesuch auch deshalb als unzulässig verworfen werden (§ 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO).
Rdn 33
2. Nach dem Zeitpunkt des § 25 Abs. 1 S. 1 StPO (Beginn der Vernehmung des Betroffenen über seine persönlichen Verhältnisse → Ablehnungszeitpunkt, Rdn 60) kann die Ablehnung eines Richters nur auf solche Gesichtspunkte gestützt werden, die nachträglich zutage getreten sind. Dass Ablehnungsgründe erst später bekannt geworden sind, ist dann gem. § 26 Abs. 2 StPO glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung bedeutet (hinsichtlich des Beweismaßstabes), dass dem Gericht die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen in hinreichendem Maße dargetan wird; die volle Überzeugung von der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen muss dem Gericht demnach nicht verschafft werden (BGH NStZ-RR 2001, 257, 258 [Be]). Von der Glaubhaftmachung kann abgesehen werden, wenn sich der Ablehnungsgrund aus den Akten ergibt oder wenn er sonst gerichtsbekannt ist (Meyer-Goßner/Schmitt, § 26 Rn 6 m.w.N.; OLG Rostock, Beschl. v. 13.10.2011 – 2 Ss (OWi) 72/11 I 197/11). Jedoch wirken sich nicht behebbare Zweifel an der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen zulasten des Antragstellers aus. Hierbei gilt insbesondere nicht der Grundsatz in dubio pro reo (BGHSt 21, 334, 352; VRS 81, 373).
Rdn 34
Mittel der Glaubhaftmachung sind nach § 26 Abs. 2, 3 StPO grds. nur schriftliche Erklärungen (u.U. auch fremdsprachige, vgl. OLG Bamberg NStZ 1989, 335), insbesondere eidesstattliche Versicherungen von Zeugen oder des Verteidigers. Der Ablehnende selbst kann die Richtigkeit seiner Angaben nicht beschwören und auch nicht an Eides statt v...