Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Rdn 77
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Ablehnung eines Richters, Allgemeines, Teil A Rdn 9.
Rdn 78
1. Nach § 30 kann ein Richter Umstände, aus denen sich Ausschließungsgründe nach §§ 22, 23 oder Befangenheitsgründe nach § 24 ergeben können (→ Ablehnungsgründe, Befangenheit, Allgemeines, Teil A Rdn 82; → Ausschluss eines Richters, Teil A Rdn 559), selbst anzeigen. Es entscheidet dann das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht, ob der Richter von der weiteren Mitwirkung am Verfahren entbunden wird oder nicht.
☆ Der Richter scheidet mit der Selbstablehnung bis zur Entscheidung darüber vorläufig aus dem Verfahren aus . Er darf auch keine die HV vorbereitenden richterlichen Handlungen mehr vornehmen, § 29 Abs. 2 gilt nicht ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 30 Rn 4; KK/ Heil , § 30 Rn 4).scheidet mit der Selbstablehnung bis zur Entscheidung darüber vorläufig aus dem Verfahren aus. Er darf auch keine die HV vorbereitenden richterlichen Handlungen mehr vornehmen, § 29 Abs. 2 gilt nicht (Meyer-Goßner/Schmitt, § 30 Rn 4; KK/Heil, § 30 Rn 4).
Die Selbstanzeige nach § 30 führt aber, selbst dann, wenn diese komplexe, ausschließlich auf den Einzelfall bezogene Wahrnehmungen aus einer früheren HV zum Gegenstand hat, nicht zwangsläufig zum Ausschluss des betreffenden Richters nach § 22 Nr. 5, solange vorrangig auszuschöpfende Möglichkeiten gegeben sind, das im Rahmen der Selbstanzeige zu Tage getretene Wissen des Richters auf andere Weise als durch dessen Zeugenvernehmung in das laufende Verfahren einzubringen (OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.5.2020 – 1 Ws 140/20, StraFo 2021, 332 m. Anm. Deutscher; → Ausschluss eines Richters, Teil A Rdn 559).
Rdn 79
2. Die richterliche Selbstanzeige wegen möglicher Ablehnungsgründe muss den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt werden (BVerfG NJW 1993, 2229; s.a. Hess.VGH NJW 1994, 1083). Diese haben dann Gelegenheit zur Stellungnahme.
Rdn 80
3.a) Die Entscheidung über die Selbstablehnung ergeht durch Beschluss, der grds. – vom Richter – nicht anfechtbar ist (Meyer-Goßner/Schmitt, § 30 Rn 9 m.w.N.; Hess.VGH NJW 1994, 1083). Etwas anderes gilt, wenn kein rechtliches Gehör gewährt worden ist (KK/Heil, § 30 Rn 6; zur Erforderlichkeit einer Entscheidung BGH, Beschl. v. 19.11.2020 - 4 StR 249/20, NStZ 2021, 176).
Rdn 81
b) Der einen erkennenden Richter betreffende Beschluss, durch den die Selbstanzeige für begründet oder für nicht begründet erklärt wird, kann grds. auch nicht mit der Revision überprüft werden. § 338 Nr. 3 betrifft nämlich lediglich den Fall der Ablehnung des Richters nach § 24; → Ablehnung eines Richters, Allgemeines, Teil A Rdn 8, m.w.N.), nicht aber die Selbstanzeige (BGH NStZ 2017, 720; Beschl. v. 11.1.2022 – 3 StR 452/20, NStZ 2022, 558; Beschl. v. 26.9.2023 – 5 StR 164/22; Urt. v. 25.10.2023 – 2 StR 195/23, NJW 2024, 846 [BGHSt]). Etwas anderes gilt im Falle einer objektiv willkürlichen Verfahrensweise unter dem Gesichtspunkt des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG und des § 16 S. 2 GVG. Danach ist eine Rüge begründet, wenn das Verfahren des § 30 missbraucht wird, indem ein Richter Anzeige erstattet und das Gericht sie für begründet erklärt, obwohl sowohl der Anzeigende als auch das Gericht keine Befangenheit besorgen (zur Begründung dieser Rüge BGH, Beschl. v. 26.9.2023 – 5 StR 164/22). Denn durch eine grundlose Selbstablehnung wird einem Angeklagten der verfassungsrechtlich garantierte gesetzliche Richter entzogen (BGH NStZ 2017, 720). Etwas anderes gilt auch dann, wenn sich ein → Ablehnungsberechtigter, Teil A Rdn 71, das Vorbringen des Selbstanzeigenden in dessen dienstlicher Erklärung zu eigen macht und ihn deswegen ablehnt; dies eröffnet das Verfahren der §§ 25 ff. (BGH, Beschl. v. 11.1.2022 – 3 StR 452/20, NStZ 2022, 558).
☆ Das gilt auch, wenn die Selbstablehnung des Richters aus Gründen, die rechtlich unter keinem Gesichtspunkt mehr vertretbar sind, für unbegründet befunden wird (BGH NStZ 2017, 720). Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Richter Gründe für seine Befangenheit angeführt hat, die schon für sich die Ablehnung gerechtfertigt hätten, und er gleichzeitig erklärt hat, deshalb gegenüber dem Beschuldigten voreingenommen zu sein.unter keinem Gesichtspunkt mehr vertretbar sind, für unbegründet befunden wird (BGH NStZ 2017, 720). Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Richter Gründe für seine Befangenheit angeführt hat, die schon für sich die Ablehnung gerechtfertigt hätten, und er gleichzeitig erklärt hat, deshalb gegenüber dem Beschuldigten voreingenommen zu sein.
Die die HV betreffende Wartepflicht begrenzende Vorschrift des § 29 Abs. 2 S. 1 gilt auch für Schöffen (BGH, Beschl. 18.5.2022 – 3 StR 181/21, NStZ 2023, 168; Beschl. v. 26.9.2023 – 5 StR 164/22).
Siehe auch: → Ablehnungsgrunde, Befangenheit, Allgemeines, Teil A Rdn 82, m.w.N.; → Ablehnungsantrag, Teil A Rdn 53 m.w.N.