Dr. Holger Niehaus, Detlef Burhoff
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Alle bis zum Beginn der Vernehmung des Betroffenen über seine persönlichen Verhältnisse (Feststellung der Personalien) bekannt gewordenen Ablehnungsgründe sind bis zu diesem Zeitpunkt anzubringen (vgl. § 25 Abs. 1 StPO). |
2. |
Nach diesem Zeitpunkt kann die Ablehnung eines Richters nur auf solche Gesichtspunkte gestützt werden, die nachträglich entstanden oder bekannt geworden sind. |
3. |
Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen. |
4. |
Das Ablehnungsgesuch ist in der HV stets unverzüglich geltend zu machen. |
Rdn 61
Literaturhinweise:
Drees, Die Entscheidung des Vorsitzenden über den Zeitpunkt der Anbringung von Ablehnungsgesuchen, NStZ 2005, 184
R. Hamm, Zur Unverzüglichkeit bei der Anbringung eines Richterablehnungsgesuchs, StV 1981, 315
Meyer-Mews, Der Befangenheitsantrag nach erfolgloser Gegenvorstellung, StraFo 2000, 269
s. auch die Hinw. bei → Ablehnung des Richters, Allgemeines, Rdn 1.
Rdn 62
1. Alle bis zum Beginn der Vernehmung des Betroffenen über seine persönlichen Verhältnisse (Feststellung der Personalien nach § 243 Abs. 2 S. 2 StPO) bekannt gewordenen Ablehnungsgründe müssen bis zu diesem Zeitpunkt angebracht werden (vgl. § 25 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1).
☆ Die Vernehmung des Betroffenen nach § 243 Abs. 2 S. 2 StPO ist die zeitliche Grenze für Befangenheitsanträge nach § 25 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1, d.h. sobald der Betroffene zur Identität i.S.d. § 111, d.h. zum Namen (Vor-, Familien-/Geburtsname), Geburtstag, Geburtsort, Familienstand, Wohnort und Staatsangehörigkeit befragt wird, muss der Verteidiger reagieren . Danach können bereits bekannte Ablehnungsgründe nicht mehr geltend gemacht werden, mögen sie auch noch so schwerwiegend sein. Nach Aussetzung der HV oder Zurückverweisung der Sache besteht diese zeitliche Grenze jedoch erneut (BGHSt 23, 277).Vernehmung des Betroffenen nach § 243 Abs. 2 S. 2 StPO ist die zeitliche Grenze für Befangenheitsanträge nach § 25 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1, d.h. sobald der Betroffene zur Identität i.S.d. § 111, d.h. zum Namen (Vor-, Familien-/Geburtsname), Geburtstag, Geburtsort, Familienstand, Wohnort und Staatsangehörigkeit befragt wird, muss der Verteidiger reagieren. Danach können bereits bekannte Ablehnungsgründe nicht mehr geltend gemacht werden, mögen sie auch noch so schwerwiegend sein. Nach Aussetzung der HV oder Zurückverweisung der Sache besteht diese zeitliche Grenze jedoch erneut (BGHSt 23, 277).
Rdn 63
2. Nach diesem Zeitpunkt kann die Ablehnung eines Richters nur auf solche Gesichtspunkte gestützt werden, die nachträglich entstanden oder dem Betroffenen bekannt geworden sind (§ 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1).
Rdn 64
3. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen (vgl. § 25 Abs. 1 S. 3 StPO). Auch hier gilt die sog. Konzentrationsmaxime. Bei Verstoß gegen diese wird das Ablehnungsgesuch gem. § 26a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 als unzulässig verworfen und kann auch später im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachgeschoben werden.
Rdn 65
4. In der HV ist das Ablehnungsgesuch unverzüglich geltend zu machen (§ 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StPO; zu allem a. Burhoff StRR 6/2020, 6 = VRR 2/2020, 4). Unverzüglich bedeutet "ohne schuldhaftes Zögern" (vgl. § 121 BGB), d.h. sobald als möglich, ohne eine nicht durch die Sachlage begründete Verzögerung (BGHSt 21, 334, 339; StV 1996, 1). Die Vernehmung eines Zeugen kann zu Ende geführt werden, ohne dass die Befürchtung besteht, der Ablehnungsantrag könne durch die hierdurch bedingte kurze zeitliche Verschiebung wegen Verspätung als unzulässig verworfen werden, wenn sich während der Vernehmung ein Umstand ergibt, der die Besorgnis der Befangenheit des Richters begründet (BGH StV 1986, 281). An die Unverzüglichkeit ist zwar im Interesse einer zügigen Durchführung des Verfahrens ein strenger Maßstab anzulegen, jedoch muss die Ablehnung auch nicht sofort erfolgen (vgl. BGH NStZ 2009, 223 = StraFo 2008, 502 [Abwarten der Beendigung der Vernehmung eines Zeugen und des nächsten Zeugen zulässig]; zuletzt BGH, Beschl. v. 21.7.2020 – 5 StR 236/20, NStZ 2021, 56 = StraFo 2020, 487 = StRR 3/2021, 10). Insofern ist eine durch die Sachlage begründete Verzögerung in dem vorgenannten Sinne eine solche, die dadurch entsteht, dass der Antragsteller eine gewisse Zeit zum Überlegen und Abfassen des Gesuchs benötigt, nachdem er Kenntnis vom Ablehnungsgrund erlangt hat. Nach den Umständen kann es daher auch ausreichend sein, wenn das Ablehnungsgesuch nach der bzw. außerhalb der HV angebracht wird (BGH StV 2013, 372 = StRR 2012, 202). Dem Betroffenen ist ggf. eine gewisse Zeit zur Überlegung und Absprache mit dem Verteidiger einzuräumen (BGH NStZ 2008, 578). Dabei ist bei der Frage, ob die Ablehnung eines Richters unverzüglich i.S.v. § 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 erfolgte, allein der Zeitpunkt der Kenntnis des ablehnungsberechtigten Betroffenen von den dem Ablehnungsgesuch zugrunde liegenden Tatsachen maßgeblich. Eine etwaige schuldhafte verspätete Kenn...