Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die persönlichen Verhältnisse des Richters können die Ablehnung begründen, wenn deshalb die Besorgnis begründet ist, dass er nicht unvoreingenommen an die Sache herangehen wird. |
2. |
Fraglich ist, inwieweit das persönliche Verhältnis zwischen Verteidiger und Gericht den Angeklagten ggf. zur Ablehnung berechtigt. |
3. |
Auch zur Ablehnung des Richters aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse gibt es eine umfangreiche Kasuistik. |
Rdn 88
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Ablehnung eines Richters, Allgemeines, Teil A Rdn 9, und bei → Ablehnungsgründe, Befangenheit, Allgemeines, Teil A Rdn 83.
Rdn 89
1. Die persönliche Verhältnisse des Richters zwischen ihm und dem Angeklagten, dem Verletzten (→ Verletzter, Begriff, Teil V Rdn 3730) oder auch einem Zeugen können die Ablehnung begründen, wenn deshalb die Besorgnis begründet ist, dass er nicht unvoreingenommen an die Sache herangehen wird (Meyer-Goßner/Schmitt, § 24 Rn 15 m.w.N.). Das kann z.B. bei einer Ehe (für das Zivilverfahren BGH, Beschl. v. 27.2.2020 – III ZB 61/19, NJW-RR 2020, 633), Verlobung, Schwägerschaft (3. Grades) (BGH, Urt. v. 25.10.2023 – 2 StR 195/23, NJW 2024, 846 [BGHSt]), enger Freundschaft (vgl. LR-Siolek, § 24 Rn 20 m.w.N.) oder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (Burhoff StRR 2008, 287, 290; OVG Bremen NJW 2015, 2828 [Anzeigepflicht des Rechtsmittelrichters]) in Betracht kommen. Insbesondere in diesen Fällen ist aber ggf. eine Gesamtschau vorzunehmen (BGH StV 2013, 372; BGH, Urt. v. 25.10.2023 – 2 StR 195/23, NJW 2024, 846 [BGHSt]; KG NJW 2009, 96; OLG Düsseldorf NJW 2010, 1158 [Ls.]). Das gilt insbesondere auch für die Ehe zwischen Richter und sachbearbeitendem StA (Ellbogen/Schneider JR 2012, 188; AG Kehl NStZ-RR 2014, 224 [Ls.; Befangenheit im Bußgeldverfahren, wenn StA und Richterin verheiratet sind]; s. aber AG Kehl, Beschl. v. 16.12.2020 – 5 OWi 505 Js 15819/20 [nicht, wenn der StA nur das dem Bußgeldverfahren vorhergehende Strafverfahren geführt hat]).
Rdn 90
2. Fraglich ist, inwieweit das persönliche Verhältnis zwischen Verteidiger und Gericht den Angeklagten ggf. zur Ablehnung berechtigt. Die h.M. geht davon aus, dass das nur dann der Fall ist, wenn der Beschuldigte/Angeklagte davon ausgehen muss, dass das Gericht seine ggf. gegenüber dem Verteidiger bestehende Animosität auch auf den Beschuldigten/Angeklagten überträgt (vgl. z.B. BGH StV 1993, 339; Beschl. v. 2.4.2020 – 1 StR 90/20, NStZ 2020, 495 für Schöffin, deren Ehemann im Scheidungsverfahren von der Kanzlei der Verteidigerin vertreten worden ist; weit. Nachw. bei Teil A Rdn 92). Demgegenüber vertritt Latz (S. 357, 361) die Auffassung, dass Voreingenommenheit gegenüber der Person des Verteidigers, der Repräsentant des Beschuldigten/Angeklagten ist, immer auch solche gegenüber der Verteidigung des Beschuldigten/Angeklagten sind, der diesen Verteidiger gewählt hat (differenzierend Zwiehoff JR 2006, 415). Zutreffend weist er darauf hin, dass diese Frage von dem Umstand, dass der Verteidiger kein eigenes Ablehnungsrecht hat, zu trennen ist (→ Ablehnungsberechtigter, Teil A Rdn 71; zur Richterablehnung wegen Spannungen zwischen Verteidiger und Richter s. insbesondere Rabe AnwBl 1981, 333; Müller NStZ 1995, 380 [Rspr.-Übersicht] und auch aus neuer Zeit Latz, S. 357 ff.).
Rdn 91
3. Auch zur Ablehnung des Richters aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse gibt es eine umfangreiche Kasuistik. Hinzuweisen ist auf folgende Rechtsprechungsbeispiele:
Rdn 92
Befangenheit wurde bejaht:
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bei einem bestehenden Arzt-Patient-Verhältnis, und zwar i.d.R. auch dann, wenn die ärztliche Tätigkeit des Arztes Gegenstand des Verfahrens ist (AG Schwetzingen, Beschl. v. 23.1.2023 – 1 F 228/22, GesR 2023, 170), |
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wenn der Richter sich in seiner Stellung als Fraktionsvorsitzender der DVU deutlich in ausländerfeindlicher Weise geäußert hat (LG Bremen StV 1993, 69 [ausländischer Beschuldigter]; s.a. OLG Karlsruhe NJW 1995, 2503 [öffentliche Sympathiekundgebungen eines Richters für den Bundesvorsitzenden der NPD bei einem ausländischen Beschuldigten]), |
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wenn aufgrund von gesellschaftlichen Kontakten Grund zu der Annahme besteht, der Richter bevorzuge einen der Beschuldigten/Angeklagten, weil er z.B. mit diesem Tennis spielt, ein Restaurant aufsucht und über das Verfahren spricht (BGH NStZ 1986, 518; auch BGH, Beschl. v. 10.12.2019 -II ZB 14/19, MDR 2020, 303 und BGH, Beschl. v. 28.7.2020 – VI ZB 93/20, MDR 2020, 1333, wonach eine Ablehnung wegen Befangenheit [gem. § 42 Abs. 2 ZPO] begründet sein kann, wenn ein Richter in einem Verfahren zwar nicht selbst Partei ist, aber über den gleichen Sachverhalt zu entscheiden hat, aus dem er selbst Ansprüche gegen eine Partei geltend macht bzw. ernsthaft in Erwägung zieht), |
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wenn der zuständige Richter und ein Verfahrensbeteiligter, wie z.B. die Hauptzeugin als Verletzte als Kollegen in demselben Spruchkörper tätig sind (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2010, 1158 [Ls.]), |
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nach Auffassung des OLG Hamm (OLG Hamm NJW 1951, 731), wenn zwischen dem Rich... |