Detlef Burhoff, Michael Eggers
Rdn 101
Literaturhinweise:
Burhoff, Die Änderungen im Ablehnungsrecht (§§ 25, 26, 29 StPO) durch das "Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens" v. 10.12.2019, StRR 6/2020, 6 = VRR 2/2020, 4
Meyer-Mews, Der Befangenheitsantrag nach erfolgloser Gegenvorstellung, StraFo 2000, 369
Kettler, Befangenheitsrecht – Grundlagen und praktische Anwendung für Strafverteidiger, StV-S 2024, 41
s.a. die Hinw. bei → Ablehnung eines Richters, Allgemeines, Teil A Rdn 2.
Rdn 102
1. Kommt im EV die Ablehnung eines Richters in Betracht, ist sie – außerhalb der HV – grds. ohne zeitliche Beschränkung zulässig (Meyer-Goßner/Schmitt, § 25 Rn 11; KG NStZ 1991, 401; OLG Schleswig NStZ 1981, 489). Es kann also auch der Ermittlungsrichter abgelehnt werden (AG Ingolstadt, Beschl. v. 10.2.2020 – 1 Gs 2523/19, StV 2020, 404 [Ls.]; MüKo-StPO/Conen/Tsambikakis, § 27 StPO Rn 17).
Rdn 103
Allerdings darf die Entscheidung, von der der abgelehnte Richter ausgeschlossen werden soll, noch nicht erlassen sein (st. Rspr., u.a. BVerfG NStZ 2007, 709, BGH NStZ 2008, 55; Beschl. v. 4.2.2020 – 5 AR (Vs) 64/19; NStZ 2021, 115; NStZ-RR 2012, 314; 2013, 289 m.w.N; StRR 2012, 191 m. Anm. Barton; Beschl. v. 23.2.2017 – 5 AR (Vs) 5/17; KG, Beschl. v. 5.4.2012 – 4 Ws 31/12; Beschl. v. 13.4.2018 – 5 Ws 37/18 u. 48/18; Beschl. v. 10.2.2022 – 3 Ws (B) 310/21; OLG Hamm VRS 101, 204; Beschl. v. 9.4.2019 – 4 Ws 10/19, NStZ-RR 2019, 221OLG Jena NStZ 1997, 510 m.w.N.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.2.2019 – 4 Ws 42/19, NStZ 2019, 693). Das gilt auch, wenn die Ablehnung mit einer Anhörungsrüge oder einer Gegenvorstellung verbunden wird (st.Rspr, u.a. BGH, Beschl. v. 4.2.2020 – 5 AR (Vs) 64/19; NStZ 2021, 115; NStZ-RR 2012, 314; Beschl. v. 30.9.2013 – 1 StR 305/13; Beschl. v. 23.2.2017 – 5 AR (Vs) 5/17; KG, Beschl. v. 10.2.2022 – 3 Ws (B) 310/21; OLG Celle NStZ-RR 2015, 219). Erst wenn die Prüfung durch das Ausgangsgericht ergeben hat, dass die Anhörungsrüge begründet ist, und das Verfahren in die Lage zurückversetzt worden ist, in der es sich vor der mit der Anhörungsrüge angegriffenen Entscheidung befunden hat, können die an der Ausgangsentscheidung mitwirkenden Richter für die neu zu treffende Sachentscheidung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (LR-Siolek, § 25 Rn 13 und § 26a Rn 37; OLG Celle, a.a.O.).
Rdn 104
Nach Erlass der Entscheidung ist nachträglich eine Ablehnung nicht mehr möglich (Meyer-Goßner/Schmitt, § 25 Rn 11). Eine Entscheidung ist ergangen, wenn sie für das Gericht, das sie gefasst hat, unabänderlich ist. Bei einem Beschluss, der außerhalb der HV ergeht und nicht verkündet wird, ist dies i.d.R. dann der Fall, wenn ihn die Geschäftsstelle an eine Behörde oder Person außerhalb des Gerichts hinausgegeben hat und eine Abänderung tatsächlich unmöglich ist (BGH NStZ 2012, 710; Beschl. v. 4.12.2018 – 1 StR 666/17, StV 2020, 816 [Ls.], jew. für das Revisionsverfahren). Allerdings kann derjenige, der einen Antrag nach § 33a gestellt hat, für diese Entscheidung noch die Ablehnung erklären (s. aber BGH NStZ-RR 2009, 353; OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.2.2019 – 4 Ws 42/19, NStZ 2019, 693, für Verfahren nach § 311a), nicht hingegen aber im Verfahren über eine → Gegenvorstellung, Teil G Rdn 2521 (BGH, Beschl. v. 4.2.2020 – 5 AR (Vs) 64/19; NStZ 2021, 115; NStZ-RR 2001, 333 m.w.N.; OLG Hamm MDR 1993, 789 m.w.N.). Auch im Zusammenhang mit einer Anhörungsrüge nach § 356a ist eine Ablehnung i.d.R. ausgeschlossen (Eschelbach ZAP F. 22, S. 605, 6011; st.Rspr., u.a. BGH NStZ-RR 2012, 314; 2013, 153 [Ls.]; 2013, 289 m.w.N.; Beschl. v. 9.5.2018 – 4 StR 579/17; StRR 2012, 191 m. Anm. Barton; OLG Hamm, Beschl. v. 9.4.2019 – 4 Ws 10/19, NStZ-RR 2019, 221; OLG Nürnberg, Beschl. v. 7.11.2019 – Ws 711/19, StraFo 2020, 239; noch KG, Beschl. v. 13.4.2018 – 5 Ws 37/18).
☆ Hat der Verteidiger gegen eine seinen Mandanten belastende, nach seiner Ansicht falsche Entscheidung (dazu → Ablehnungsgründe, Befangenheit , Vorbefassung, Teil A Rdn 50 ) zunächst → Gegenvorstellung , Teil G Rdn 2521 , eingelegt, um zu klären, inwieweit der Richter in seiner Ansicht verfestigt ist, wird einem späteren Ablehnungsgesuch im EV nicht Verspätung entgegengehalten werden können. Denn außerhalb der HV ist die Ablehnung grds. ohne zeitliche Beschränkung möglich ( Meyer-Mews StraFo 2000, 369, 373).Ablehnungsgründe, Befangenheit, Vorbefassung, Teil A Rdn 50) zunächst → Gegenvorstellung, Teil G Rdn 2521, eingelegt, um zu klären, inwieweit der Richter in seiner Ansicht "verfestigt" ist, wird einem späteren Ablehnungsgesuch im EV nicht Verspätung entgegengehalten werden können. Denn außerhalb der HV ist die Ablehnung grds. ohne zeitliche Beschränkung möglich (Meyer-Mews StraFo 2000, 369, 373).
Rdn 105
2. Für die Ablehnung in der HV ist hier auf Folgendes hinzuweisen (s.a. Burhoff, HV, Rn 129 ff.; Münchhalffen StraFo 2007, 91, 93): § 25 teilt die HV, was die Richterablehnung angeht, im Wesentlichen in zwei Abschnitte ein:
Rdn 106
a)aa) Früher war nach § 25 Abs. 1 S. 1 die Ablehnung bis zum Beginn der Vernehm...