Das Wichtigste in Kürze:

1. Ein nach den §§ 22, 23 ausgeschlossener Richter kann ohne zeitliche Beschränkung abgelehnt werden.
2. Während der HV ist die Ablehnung eines befangenen Richters bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse unbeschränkt zulässig, danach nur noch wegen nach diesem Zeitpunkt entstandener oder bekannt gewordener Ablehnungsgründe.
3. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen.
4. Das Ablehnungsgesuch muss grds. unverzüglich gestellt werden.
 

Rdn 170

 

Literaturhinweise:

R. Hamm, Zur Unverzüglichkeit bei der Anbringung eines Richterablehnungsgesuchs, StV 1981, 315

Meyer-Mews, Der Befangenheitsantrag nach erfolgsloser Gegenvorstellung, StraFo 2000, 269

s.a. die Hinw. bei → Ablehnung eines Richters, Allgemeines, Teil A Rdn 8.

 

Rdn 171

1. Bei einem evtl. vorliegenden → Ausschluss eines Richters, Teil A Rdn 543, nach den §§ 22, 23 ist seine Ablehnung ohne zeitliche Beschränkung zulässig, solange er mit der Sache befasst ist. § 25 bestimmt nur die zeitliche Grenze der Ablehnung wegen Befangenheit in der HV.

 

Rdn 172

2. Hinsichtlich der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit teilt § 25 die HV, was die Richterablehnung angeht, in zwei Abschnitte ein (dazu a. Münchhalffen StraFo 2007, 91, 93; zur grds. zeitlich unbeschränkt möglichen Ablehnung im EV s. Burhoff, EV, Rn 100 f.:

 

Rdn 173

a)aa) Früher war nach § 25 Abs. 1 S. 1 a.F. ist die Ablehnung in der HV 1. Instanz bis zum Beginn der Vernehmung des (ersten) Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse gem. § 243 Abs. 2 S. 2 unbeschränkt zulässig. Das galt für alle Verfahren. Nach dem durch das "Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens v. 10.12.2019" (BGBl I, S. 2121) eingefügten § 25 Abs. 1 S. 2 ist nun insofern eine Änderung eingetreten, dass dann, wenn die Besetzung des Gerichts nach § 222a Abs. 1 S. 2 schon vor Beginn der HV mitgeteilt worden ist (→ Besetzungsfragen, Teil B Rdn 956), nun das Ablehnungsgesuch unverzüglich angebracht werden muss (dazu Teil A Rdn 179; zu allem a. Burhoff StRR 6/2020, 6 = VRR 2/2020, 4).

 

☆ Die sog. Besetzungsmitteilung nach § 222a gilt aber nur in erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG und dem OLG erforderlich. Der frühzeitige/vorverlegte Ablehnungszeitpunkt gilt also nur für diese Verfahren. In allen anderen Verfahren, also z.B. beim AG und im Berufungsverfahren, ist es bei der Regelung des § 25 Abs. 1 S. 1 geblieben. Das bedeutet (vgl. a. Meyer-Goßner/Schmitt , § 25 Rn 4a):LG und dem OLG erforderlich. Der frühzeitige/vorverlegte Ablehnungszeitpunkt gilt also nur für diese Verfahren. In allen anderen Verfahren, also z.B. beim AG und im Berufungsverfahren, ist es bei der Regelung des § 25 Abs. 1 S. 1 geblieben. Das bedeutet (vgl. a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 25 Rn 4a):

In erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG/OLG, in denen die Besetzung mitgeteilt worden ist, was in der Praxis die Regel sein dürfte, sind also Befangenheitsgründe, die dem Ablehnungsberechtigten vor Beginn der HV bekannt geworden sind, nunmehr unverzüglich anzubringen. Dem Ablehnungsberechtigten steht aber eine Überlegungsfrist zu (Meyer-Goßner/Schmitt, § 25 Rn 4c; a.A. wohl BT-Drucks. 19/14747, S. 21).
In allen anderen Verfahren oder, wenn (ausnahmsweise) die Besetzung nicht mitgeteilt worden ist, gilt grds. die Frist des § 25 Abs. 1 S. 1, d.h. die Ablehnung ist bis zum Beginn der Vernehmung des (ersten) Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse gem. § 243 Abs. 2 S. 2 unbeschränkt zulässig (vgl. Teil A Rdn 174).
 

Rdn 174

bb) Zulässig ist – in den zeitlichen Grenzen des § 25 Abs. 1 (vgl. Teil A Rdn 16) – die Ablehnung bereits dann, wenn feststeht, welche Richter zur Mitwirkung an der Entscheidung berufen sind (KG NStZ 1983, 44). Die zeitliche Grenze für die unbeschränkte Ablehnung bildet der Beginn der Vernehmung des (ersten) Angeklagten (§ 25 Abs. 1 S. 1). Diese zeitliche Grenze besteht nach Aussetzung der HV oder Zurückverweisung der Sache erneut (BGHSt 23, 277 ff.).

 

☆ Ist die HV ausgesetzt worden, muss der Verteidiger einen in der ausgesetzten HV gestellten, dort nicht erfolgreichen Befangenheitsantrag in der neuen HV wiederholen , wenn er später auf die weitere Mitwirkung des abgelehnten Richters die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 3 stützen will (so BGH NJW 2006, 854 in einem obiter dictum ; a.A. BGHSt 31, 15).Befangenheitsantrag in der neuen HV wiederholen, wenn er später auf die weitere Mitwirkung des abgelehnten Richters die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 3 stützen will (so BGH NJW 2006, 854 in einem "obiter dictum"; a.A. BGHSt 31, 15).

In der Rechtsmittel-HV ist die Ablehnung bis zum Beginn des Vortrags des Berichterstatters unbeschränkt zulässig (→ Berufung, Berufungshauptverhandlung, Teil B Rdn 722). Das gilt auch, wenn das Gesuch auf Umstände/Äußerungen des Vorsitzenden aus einer früheren Berufungs-HV gestützt wird, die danach ausgesetzt worden ist, ohne dass der Berichterstatter vorgetragen hätte (OLG Brandenburg StV 1997, 455). Eine weitere zeitliche Schranke al...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?