Rdn 404

 

Literaturhinweise:

Franzen, Zur schuldgerechten Aufteilung der Steuerverkürzung, DStR 1964, 380

Groß/Fünfsinn, Datenweitergabe im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, NStZ 1992, 105

M. Lorenz, Die Zulässigkeit der Vertraulichkeitszusage gegenüber Vertrauenspersonen und Informanten sowie deren Auswirkung auf das Strafverfahren, StraFo 2016, 316

Rieß, Amtlich verwahrte Beweisstücke (§ 147 StPO), in: Festgabe für Karl Peters, 1984, S. 113

Schuhmann, Zur Akteneinsicht im Steuerstrafverfahren, wistra 1995, 181

Taschke, Akteneinsicht und Geheimnisschutz im Strafverfahren, CR 1989, 299

Zieger, Verpflichtung von Strafverteidigern nach der Verschlußsachenanweisung in Spionageverfahren?, StV 1995, 105

s.a. die Hinw. bei → Akteneinsicht, Allgemeines, Teil A Rdn 225, und bei → Steuerstrafverfahren, Besonderheiten, Teil S Rdn 4156.

 

Rdn 405

1.a) Das AER umfasst auch die sog. Beiakten. Daran hat sich durch die Einführung der Möglichkeit des Führens einer elektronischen Akte nichts geändert (→ Akteneinsicht, elektronische Akte, Teil A Rdn 394). Erfasst werden also etwa Vorstrafenakten, Personalakten, Akten über Zivil- oder Verwaltungsprozesse, Steuerakten, Insolvenzakten, Akten der Ausländerbehörde, sonstige (Bei)Akten, in denen sich für das jeweilige Verfahren betreffende Vorgänge befinden, u.a. (BVerfG NJW 1983, 1046 f.; LG Nürnberg StraFo 2011, 225; Bosbach, Rn 101; zu Steuerakten OLG Celle Nds.Rpfl. 1977, 252; OLG Frankfurt am Main NStZ 2003, 566; Burkhard StV 2000, 256; Marberth-Kubicki StraFo 2003, 369 und → Steuerstrafverfahren, Besonderheiten, Teil S Rdn 4171; zum Begriff der Beiakten auch LG Nürnberg, a.a.O.; Schäfer NStZ 1984, 206; zur Einsicht in Finanzermittlungsakten → Akteneinsicht, Umfang, Teil A Rdn 501). Das gilt insbesondere auch für die sog. "Lebensakte" im (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren (dazu eingehend Burhoff/Niehaus, OWi, Rn 2868 ff. m.w.N.; → Bußgeldverfahren, Besonderheiten, Akteneinsicht, Teil B Rdn 1532; zum Begriff "Lebensakte" KG NZV 2002, 335; OLG Düsseldorf VRS 86, 118; OLG Naumburg DAR 2016, 215; s.a. auch OLG Frankfurt am Main DAR 2017, 47; OLG Celle DAR 2017, 715).

 

☆ Der Verteidiger sollte, da in der Praxis gelegentlich übersehen wird, dass sich das AER auch auf Beiakten und beigezogene Akten bezieht (vgl. Teil A Rdn  405  ff.), seinen Antrag auf AE ausdrücklich auch auf Beiakten und beigezogene Akten erstrecken (Antragsmuster bei → Akteneinsicht , Allgemeines , Teil A Rdn  239 ).405 ff.), seinen Antrag auf AE ausdrücklich auch auf Beiakten und beigezogene Akten erstrecken (Antragsmuster bei → Akteneinsicht, Allgemeines, Teil A Rdn 239).

In welche Akten der Verteidiger Einsicht nimmt, unterliegt seiner Verantwortung (OLG Frankfurt am Main, Beschl v. Beschl. v. 21.12.2020 - 3 Ws 852/20, NStZ 2021, 382).

 

Rdn 406

Sind die o.a. Akten beigezogen worden, folgt das AER des Verteidigers aus § 147 (LG Nürnberg StraFo 2011, 225). Sind die Akten von der StA oder später dem Gericht nicht beigezogen worden, muss der Verteidiger unter Vorlage einer Vollmacht in dem anderen Verfahren AE beantragen, um so an die Kenntnisse/Informationen aus den Akten zu gelangen (Marberth-Kubicki StraFo 2003, 369; vgl. zum "berechtigten Interesse", wenn es sich um andere Strafakten handelt, → Akteneinsicht durch Dritte, Teil A Rdn 378 und dazu BGH StV 2008, 295; s.a. noch → Akteneinsicht bei Verfahren gegen mehrere Beschuldigte, Teil A Rdn 276).

 

Rdn 407

Der Grundsatz des Datenschutzes steht der AE nicht entgegen (Schmid NStZ 1983, 89 in der Anm. zu LG Hildesheim NStZ 1983, 88 [Strafregisterauszug soll nicht dem AE unterliegen]; eingehend zu dieser Problematik Groß/Fünfsinn NStZ 1992, 105). Auch ist eine grundsätzliche Einschränkung des AER für "besonders sensible Daten", wie z.B. medizinische und/oder psychologische Gutachten, abzulehnen (Groß/Fünfsinn NStZ 1992, 106 f.; vgl. aber Nr. 186 Abs. 2 RiStBV).

 

Rdn 408

b)aa) In die Akten anderer Behörden ist ebenfalls grds. vollständig AE zu gewähren (Rieß S. 121; vgl. aber Nr. 186 Abs. 3 S. 2 RiStBV).

 

☆ Häufig übersenden fremde Behörden der StA ihre Akten nur zur vertraulichen Behandlung . Das allein reicht nicht aus, um das AER zu begrenzen . Soll die Einsicht des Verteidigers in solche Akten verhindert werden, muss nach § 96 vorgegangen werden (BGHSt 42, 71; 49, 317; OLG Hamm NJW 1984, 880; Meyer-Goßner/Schmitt , § 147 Rn 16; M. Lorenz StraFo 2016, 316; Lantermann StraFo 2018, 12).vertraulichen Behandlung. Das allein reicht nicht aus, um das AER zu begrenzen. Soll die Einsicht des Verteidigers in solche Akten verhindert werden, muss nach § 96 vorgegangen werden (BGHSt 42, 71; 49, 317; OLG Hamm NJW 1984, 880; Meyer-Goßner/Schmitt, § 147 Rn 16; M. Lorenz StraFo 2016, 316; Lantermann StraFo 2018, 12).

Der Verteidiger muss der Verweigerung der AE entgegentreten. Das gilt besonders bei Steuerakten, wenn hier unter Hinweis auf § 30 AO AE verweigert wird, was nicht selten geschieht, wenn Steuerakten Dritter oder auch Mitbeschuldigter beigezogen wurden (Franzen DStR 1964, 38...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?