Detlef Burhoff, Mirko Laudon
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die sachlichen Voraussetzungen der Erhebungsbefugnis für sog. Verkehrsdaten werden in § 100g in drei unterschiedlichen Formen geregelt. |
2. |
Der Begriff der Verkehrsdaten ist in § 100g legal definiert. |
3. |
Nach § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 1 kann die Maßnahme angeordnet werden bei einer Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, wenn dies verhältnismäßig ist. |
4. |
Nach § 100g Abs. 1 S. 1 Nr. 2 kann die Maßnahme angeordnet werden bei einer mittels Telekommunikation begangener Straftat. Es gelten in dem Fall aber erhöhte Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit. |
5. |
In § 100g Abs. 2 ist durch das "Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten" im Grundsatz die sog. Vorratsdatenspeicherung geregelt. |
6. |
Die sog. Funkzellenabfrage ist nach § 100g Abs. 3 zulässig. |
7. |
Die Anordnung der Erhebung und das weitere Verfahren sind in den §§ 101a, 100e geregelt. |
8. |
Wegen eines Rechtsmittels gegen die Anordnung/die Durchführung der Maßnahme gelten die Ausführungen zur Telefonüberwachung entsprechend. |
8. |
Wegen Beweisverwertungsverboten wird man auf die Telefonüberwachung verweisen können. |
Rdn 700
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Auskunft über/Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten, Allgemeines, Teil A Rdn 655.
Rdn 701
1.a) Die sachlichen Voraussetzungen der Erhebungsbefugnis für sog. Verkehrsdaten werden in § 100g geregelt (zur Frage, welche Daten erhoben werden dürfen, Teil A Rdn 704 ff.; zu Bestandsdaten → Auskunft über/Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten, Bestandsdaten, Teil A Rdn 664 ff.; zum Imsi-Catcher → Auskunft über/Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten, Imsi-Catcher, Teil A Rdn 690). Nach der Neuregelung der Vorschrift durch das "Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten" v. 10.12.2015 (zur Gesetzgebungsgeschichte → Auskunft über/Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten, Allgemeines, Teil A Rdn 656 ff.) enthält § 100g drei unterschiedliche Regelungen für den Zugriff auf Verkehrsdaten, und damit folgendes
Rdn 702
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§ 100g Abs. 1 regelt den Zugriff auf Verkehrsdaten, die nach § 96 Abs. 1 TKG – insbesondere zu Abrechnungszwecken – (vgl. Teil A Rdn 702 ff.) sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten des digitalen Behördenfunks seit 26.11.2019 nach § 2a BDBSOG erhoben wurden, und die Echtzeiterhebung von Verkehrsdaten. Die Erhebung dieser Daten ist durch die Rspr. des BVerfG nicht beanstandet worden (vgl. NJW 2010, 833). In der Neuregelung ist die Formulierung "ohne Wissen des Betroffenen" entfallen. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass die Verkehrsdatenerhebung grds. als "offene Maßnahme" durchgeführt werden soll (BT-Drucks 18/5088, S. 31). Soweit möglich muss die Verwendung der Daten offen erfolgen (BT-Drucks a.a.O.). |
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§ 100g Abs. 1 S. 1 sieht unterschiedliche Eingriffsalternativen vor, und zwar
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in Nr. 1 eine Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung, insbesondere in den Fällen des § 100a (Teil A Rdn 709 ff.), |
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in Nr. 2 alle Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden und die grundsätzlich nicht von erheblicher Bedeutung sein muss (dazu Teil A Rdn 737 ff.). |
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§ 100g Abs. 2 regelt den Zugriff auf Vorratsdaten (§ 113b TKG) (vgl. Teil A Rdn 723), |
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§ 100g Abs. 3 regelt die sog. Funkenzellenabfrage (vgl. Teil A Rdn 730 f.). |
☆ Aus dem Wortlaut der Vorschrift – Straftat – und aus § 46 Abs. 3 S. 1 OWiG folgt, dass die Vorschriften bei OWi keine Anwendung finden."Straftat" – und aus § 46 Abs. 3 S. 1 OWiG folgt, dass die Vorschriften bei OWi keine Anwendung finden.
Rdn 703
b) In § 100g Abs. 5 ist ausdrücklich geregelt, dass sich die Erhebung von Verkehrsdaten nach den allgemeinen Vorschriften, also insbesondere nach den §§ 94 ff. richtet, wenn sie – etwa durch Sicherstellung von Gegenständen (z.B. elektronische Datenträger, aber auch Verbindungsnachweise in Papierform), die Aufschluss über Verkehrsdaten geben können – nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs in anderer Weise als durch eine Auskunftsanordnung an einen Erbringer von Telekommunikationsdiensten erfolgt. § 100g Abs. 1 u. 2 sind insoweit nicht anzuwenden (BVerfG NJW 2006, 976; vorher anders BVerfG NJW 2005, 1637). In diesen Fällen ist aber bei den allgemeinen Maßnahmen die Verhältnismäßigkeit besonders zu beachten (BVerfG NJW 2006, 976; zur Verhältnismäßigkeit auch BVerfG NJW 2009, 2431 betreffend die Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers; → Durchsuchung, Anordnung, Verhältnismäßigkeit, Teil D Rdn 1818 ff.).
☆ Nach der Rspr. des BGH (vgl. wistra 2015, 395) handelt es sich bei der Ermittlung einer IP-Adresse im Wege des sog. IP-Tracking jedoch um eine Maßnahme nach § 100g Abs. 1, die der richterlichen Anordnung bedarf (s. grds.a. Meyer-Goßner/Schmitt , § 100g Rn 45; a.A. Krause NStZ 2016, 139; Steinmetz in der Anm. zu BGH, a.a.O.). Der BGH begründet dies mit dem nach seiner Auffassung besonders schweren Eingriff in das Recht auf ...