Rz. 12
In erster Linie schützt die D&O-Versicherung die versicherten Personen, also die Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichtsratsmitglieder und ggf. in den Versicherungsschutz einbezogenen leitenden Angestellten. Für die Gesellschaften wird die praktische Bedeutung der D&O-Versicherung häufig überschätzt. Denn die D&O-Versicherung führt nur in seltenen Fällen dazu, dass der durch die Organhaftung verursachte Schaden tatsächlich ausgeglichen wird. Dass Schadensfälle, so wie sie geltend gemacht werden, reguliert werden, kommt in der Praxis kaum vor. Im Gegenteil, der D&O-Versicherungsschutz erschwert die Durchsetzung der Haftungsansprüche für die Gesellschaften, da der D&O-Versicherer die Abwehr als Versicherungsleistung übernimmt. Der Versicherer prüft zunächst die Haftungsfrage – dies ist Bestandteil des Versicherungsschutzes. Selbst wenn ein Haftungsfall nach überschlägiger Prüfung in Betracht kommt, wird der Versicherer – wenn nicht ein ganz eindeutiger Fall vorliegt, was in der Praxis selten der Fall ist - zunächst Abwehrdeckung gewähren bzw. wird er die Prüfung und Entscheidung zur Haftpflichtfrage aufschieben, bis er alle Informationen erhalten hat, um diese zuverlässig beurteilen zu können. Dazu gehören auch alle Angaben und Unterlagen zur Höhe des Schadens, der oft noch gar nicht abschließend feststeht bzw. endgültig beziffert werden kann. Kommt es zur Abwehrdeckung, weil der Versicherer den Haftungsanspruch für unbegründet hält oder zumindest Chancen sieht, dass dieser abgewehrt werden kann, muss die Versicherungsnehmerin ihr Organmitglied auf Schadensersatz vor Gericht verklagen. Die Kosten hierfür muss die Versicherungsnehmerin selbst aufbringen. Eine Rechtsschutzversicherung für dieses Risiko wird auf dem deutschen Markt, soweit ersichtlich, nicht angeboten. Die Kosten auf Seiten des verklagten Managers oder Aufsichtsratsmitglieds trägt hingegen der D&O-Versicherer. Am Ende des Prozesses steht dann entweder oft eine Klageabweisung oder ein Vergleich.
Rz. 13
Selbst wenn es zu einem stattgebenden Urteil kommt, weil der Anspruch auf Schadensersatz bejaht wird, kann es dann noch immer zur Versagung des Versicherungsschutzes kommen, weil der Versicherer nach Auswertung des Urteils zu dem Schluss kommt, dass z.B. ein Ausschluss von der Versicherungsdeckung gegeben ist. Häufig ist dies eine wissentliche Pflichtverletzung der versicherten Person. Gelegentlich wird dem Versicherer ein Sachverhalt, der einen Ausschluss begründet, erst im Laufe eines Prozesses spätestens durch die Urteilsbegründung bekannt. Lässt sich über den Ausschluss streiten, kann es hinsichtlich der Deckung des Versicherers auch zu einem Vergleich kommen, so dass die versicherte Person Einbußen beim Versicherungsschutz erleidet. Bei der Innenhaftung kann dann die Versicherungsnehmerin – sofern Einbußen verbleiben - sich mit dem Aufsichtsratsmitglied bzw. Leitungsorgan gesondert über eine Teilung des nicht versicherten Schadens einigen.
Rz. 14
Da die Durchsetzung des Versicherungsschutzes langwierig sein kann, bietet die D&O-Versicherung für die versicherten Personen nur einen unzureichenden Insolvenzschutz. Dies gilt erst recht mittelbar für die Gesellschaft, die sich mit einer D&O-Versicherung wegen der Innenhaftung und der Schädigung ihres Gesellschaftsvermögens durch pflichtwidrig handelnde Manager und Aufsichtsräte absichern will. Schnelle Zahlungen sind vom D&O-Versicherer nicht zu erwarten.
Rz. 15
In der Praxis klagen zudem viele Insolvenzverwalter nach Eröffnung der Insolvenzverfahren über das Vermögen der Versicherungsnehmerin bzw. einer ihrer Tochtergesellschaften gegen ehemalige Organe gerade, weil eine D&O-Versicherung besteht. Ohne eine solche Versicherung würden viele Prozesse gar nicht geführt werden.
Rz. 16
Für die geschädigte Versicherungsnehmerin bzw. Tochtergesellschaft ist besonders belastend, dass sie, wie erwähnt, die in der Praxis wichtigen Ansprüche aus der Organhaftung, wie die Ansprüche aus den § 43 GmbHG bzw. § 93 oder § 116 AktG, auf eigene Kosten verfolgen müssen. Der D&O-Versicherer übernimmt die Kosten auf Seiten der versicherten Personen, also die Kosten für die Prüfung der Rechtsfrage, die etwaigen Kosten der Abwehrdeckung und am Ende, wenn der Versicherer den Schadensersatzanspruch für begründet hält, die Freistellung der versicherten Personen von dem Haftungsanspruch durch Ausgleich desselben. Ob es am Ende zu einer Regulierung des Schadens kommt, ist jedoch lange Zeit ungewiss. Dies liegt auch häufig daran, dass der Schadensfall komplex und auch ungewiss ist, welcher Schaden auf den Pflichtverletzungen der versicherten Person beruht bzw. wie dieser zu beziffern ist. Nicht selten entwickelt sich der Schaden auch noch.
Rz. 17
Die Gesellschaft, die Versicherungsnehmerin ist und die Prämien entrichtet hat, aber gleichwohl die Geltendmachung und Durchsetzung der Organhaftungsansprüche selbst finanzieren muss. könnte "theoretisch" eine zusätzliche Rechtschutzversicherung abschließen (= D&O-Vertrags-Rechtsschutz...