Ablehnung/Auswechslung eines Dolmetschers [Rdn 1]

 

Rdn 2

 

Literaturhinweise:

Jung, Praxiswissen Strafverteidigung von Ausländern, 2009

Rueber-Unkelbach, Ablehnung von Sachverständigen und Dolmetschern in der Praxis, in: Festschrift zum 70. Geburtstag von Detlef Burhoff, 2020, S. 95

s.a. die Hinw. bei → Zuziehung eines Dolmetschers, Teil Z Rdn 4320.

 

Rdn 3

1.a) Auf die Ablehnung eines Dolmetschers sind nach § 191 GVG die Vorschriften über die → Ablehnung eines Sachverständigen, Teil A Rdn 15, also § 74[1] entsprechend anzuwenden. Damit kann der Dolmetscher aus den gleichen Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen (Rueber-Unkelbach, a.a.O., S. 95 und 119 ff. zur Verteidigungstaktik; vgl. → Ablehnung eines Richters, Allgemeines, Teil A Rdn 8 m.w.N.). Ein Dolmetscher ist aber kein SV (KK-Hadamitzky, vor § 72 Rn 9), sodass § 73 Abs. 2 nicht anwendbar ist. Es entsteht auch kein BVV, wenn ein nicht öffentlich bestellter und allgemein beeidigter Dolmetscher herangezogen wird (BGH NStZ-RR 2010, 67 [Ci/Zi]).

 

Rdn 4

Zur Ablehnung berechtigt aber nicht schon der Umstand, dass der Dolmetscher bereits im Vorverfahren von der Polizei und der StA herangezogen worden ist und mit der Polizei zusammengearbeitet hat (BGH NStZ 2008, 50; Meyer-Goßner/Schmitt, § 191 GVG Rn 2; zur Vorbefassung des Dolmetschers Jung, Rn 165 ff.), bzw. für die tätig geworden ist; das ist nur möglich, wenn er in der HV vom Gericht als SV gehört wird (BGH, Beschl. v. 13.2.2019 – 2 StR 485/19, NJW 2019, 1391 m.w.N.). Eine Dolmetscherablehnung kann begründet sein, wenn vom Standpunkt des Antragstellers aus objektive Gründe bestehen, die Zweifel an der Unparteilichkeit erregen (BGH, Beschl. v. 4.7.2018 – 2 StR 485/17, StV 2018, 801 [Ls.] m. Anm. Burhoff StRR 12/2018, 14). Allein die Tatsache, dass eine Dolmetscherin während und außerhalb der HV den Arm um die Nebenklägerin gelegt, ihr Taschentücher gereicht und beruhigend auf sie eingeredet hat, begründet ohne Hinzutreten weiterer Umstände aber noch keinen Zweifel daran, dass sie ordnungsgemäß übertragen hat (BGH, a.a.O.). Die Besorgnis der Befangenheit kann aber bestehen, wenn der Dolmetscher seine Übersetzung mit Wertungen versieht (LG Darmstadt StV 1990, 258), wenn der Beweiswert einer Zeugenaussage durch die Falschübersetzung im Gegensatz zu der tatsächlich gemachten Äußerung in belastender Hinsicht "aufgebessert" wird (LG Berlin StV 1994, 180) oder wenn der Dolmetscher seine Übersetzungen mit Zusatzbemerkungen versieht, die Schlussfolgerungen darstellen (LG Darmstadt StV 1995, 239; s.a. Jung, Rn 155 ff. und Rueber-Unkelbach, a.a.O., S. 95, 104).

 

☆ Der Verteidiger sollte mit einem Ablehnungsgesuch gegen den Dolmetscher nicht warten . Sonst kann es, insbesondere wenn es zu lange nach Beginn der HV gestellt und mit Fehlern aus dem EV begründet wird, ggf. als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden (BGH, a.a.O.).nicht warten. Sonst kann es, insbesondere wenn es zu lange nach Beginn der HV gestellt und mit Fehlern aus dem EV begründet wird, ggf. als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen werden (BGH, a.a.O.).

 

Rdn 5

b) Ist der Dolmetscher wegen Befangenheit aus dem Verfahren ausgeschieden, ist seine Vernehmung als Zeuge über die von ihm übersetzte Einlassung des Angeklagten unzulässig (LG Köln StV 1992, 460; Meyer-Goßner/Schmitt, § 191 GVG Rn 2 u. § 74 Rn 19; a.A. BayObLG NJW 1998, 1505), er kann aber als → Zeuge, sachverständiger Zeuge, Teil Z Rdn 4138, zu den von ihm übersetzten Aussagen Dritter gehört werden (BayObLG, a.a.O. [für einen bei einer früheren Vernehmung als Dolmetscher tätigen Polizeibeamten]; einschr. Seibert StV 2001, 264 in der Anm. zu BayObLG, a.a.O.). Die erfolgreiche Ablehnung hat zudem ggf. zur Folge, dass die unter Mitwirkung des erfolgreich abgelehnten Dolmetschers vorgenommenen Beweiserhebungen nicht verwertet werden können. Das ist der Fall, wenn nicht auszuschließen ist, dass die bisherige Übersetzungstätigkeit ebenfalls mit Mängeln behaftet war (LG Berlin StV 1994, 180). Dies "kontaminierten" Teile der HV müssen ggf. wiederholt werden (LG Berlin, a.a.O.; Jung, Rn 163).

 

Rdn 6

2. Über die Ablehnung des Dolmetschers entscheidet das Gericht, das den Dolmetscher zugezogen hat (§ 191 S. 2 GVG).

 

Rdn 7

3. Verfügt der Dolmetscher – nach Ansicht des Verteidigers, der sich insoweit von seinem ausländischen Angeklagten beraten lassen muss, – über mangelhafte Sprachkenntnisse, berechtigt das allerdings nicht zur Ablehnung des Dolmetschers. Der Verteidiger kann aber einen Antrag auf Auswechslung des Dolmetschers stellen. Diesen muss er ausführlich begründen und im Einzelnen darlegen, warum der Dolmetscher "schlecht" übersetzt. Ggf. muss er einen Dolmetscher des Vertrauens zuziehen (wegen der Einzelh. → Zuziehung eines Dolmetschers, Teil Z Rdn 4320).

 

☆ Auf jeden Fall muss der Verteidiger, wenn er sich die entsprechende Revisionsrüge offenhalten will, dem weiteren Tätigwerden des (gerichtlichen) Dolmetschers in der HV widersprechen und einen Gerichtsbeschluss nach § 238 Abs. 2 herbeiführen (BGH NStZ 1993, 31 [K]; zu den Anf...

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