Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die Zulässigkeit der Umschreibung eines Alttitels über Kindesunterhalt gem. Art. 5 § 3 KindUG. Die 17-jährige Tochter, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, beantragte, einen Unterhaltstitel vom 1.1.1997 über monatlich 518,00 DM im vereinfachten Verfahren nach Art. 5 § 3 KindUG umzuschreiben und den Unterhalt für die Zeit ab Antragstellung neu auf 125 % des jeweiligen Regelbetrages (West) der einschlägigen Altersstufe festzusetzen.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um die Zulässigkeit der Umschreibung eines Alttitels über den Kindesunterhalt gem. Art. 5 § 3 KindUG. Das unterhaltsberechtigte Kind war am 17.12.1983 geboren. Durch Versäumnisurteil war der Vater verurteilt worden, an die Tochter Regelunterhalt zuzüglich eines Zuschlags von 25 % des Regelbedarfs bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zu zahlen. Durch weiteren Beschluss des AG vom 12.7.1996 war dieser Titel dahin geändert worden, dass sich der ab 1.1.1997 zu zahlende Unterhalt auf monatlich 518,00 DM belief.
Mit Antrag vom 8.1.2001 beantragte die Antragstellerin, den Titel auf 125 % des Regelbetrags zu dynamisieren. Mit Beschluss vom 5.3.2003 setzte das AG den Unterhalts für die Zeit ab 10.1.2001 auf 100 % des Regelbetrages (West) der dritten Altersstufe fest. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners wurde zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich seine vom KG zugelassene Rechtsbeschwerde, die keinen Erfolg hatte.
Entscheidung
Die Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg.
Soweit sie sich gegen die Neufestsetzung des Kindesunterhalts für die Zeit bis zum 30.6.2001 richtete, war sie nach Auffassung des KG wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses bereits unzulässig.
Erst für die Zeit ab 1.7.2001 war der Antragsgegner durch den neuen Titel auch materiell beschwert, weil sich der Regelbetrag gem. Art. 1 § 1 Nr. 3c der Zweiten Verordnung zur Änderung der Regelbetrag-Verordnung vom 8.5.2001 von diesem Zeitpunkt an auf 525,00 DM erhöhte, 100 % dieses Betrages den zuvor titulierten Unterhalt (518,00 DM) somit um 7,00 DM monatlich überstiegen.
Soweit die sofortige Beschwerde zulässig war, teilte der BGH die Auffassung des KG, das seine Entscheidung im Ergebnis auf Art. 5 § 3 KindUG gestützt hatte, rügte allerdings die fehlende Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass diese Vorschrift im Zeitpunkt seiner Entscheidung (23.9.2003) schon nicht mehr geltendes Recht war. Sie war gem. Art. 8 Abs. 2 KindUG am 1.7.2003 außer Kraft getreten.
Der BGH wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass hieraus teilweise in Rechtsprechung und Literatur gefolgert werde, bei erst nach dem 30.6.2003 zu treffenden Entscheidungen über eine Beschwerde gegen eine Abänderung eines Alttitels nach Art. 5 § 3 KindUG sei die rechtliche Grundlage für eine Abänderung unwiderruflich entfallen. Dieser Auffassung folgt er unter Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber mit dem Kindesunterhaltsgesetz die rechtliche Situation unterhaltsbedürftiger Kinder verbessern wollte, nicht (BGH, Urt. v. 6.2.2002 - XII ZR 20/00, MDR 2002, 644 = BGHReport 2002, 323 m. Anm. Luthin = FamRZ 2002, 536 [540]). Im Hinblick hierauf und auf das Rechtsstaatsprinzip sei Art. 8 KindUG verfassungskonform auszulegen. Wurde über rechtzeitig gestellte Abänderungsanträge vor dem 30.6.2003 entschieden, so ist ein entsprechender Beschluss nicht schon deshalb im Beschwerdeverfahren aufzuheben, weil über die Beschwerde bis zu diesem Stichtag noch nicht entschieden wurde. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen habe, eine Überleitungsvorschrift für am 30.6.2003 noch anhängige Verfahren dieser Art vorzusehen. Die Zulässigkeit des Abänderungsverfahrens entfalle auch nicht dadurch, dass das Kind zwischen Antragstellung und Entscheidung volljährig geworden sei. Der Wortlaut des § 645 Abs. 1 ZPO stehe dem nicht entgegen. Auch Dritte, auf die der Unterhaltsanspruch übergegangen sei, könnten sich dieses Verfahrens gem. § 646 Abs. 1 Nr. 12 ZPO bedienen.
Hinweis
Die Entscheidung des BGH schafft insoweit Klarheit, als aus der zeitlichen Befristung des Art. 5 § 3 KindUG nicht gefolgert werden kann, dass nach dem 30.6.2003 Abänderungs-Anträgen nicht mehr stattgegeben werden kann. Dies war in Rechtsprechung und Literatur umstritten und teilweise anders gesehen worden.
Anderenfalls hinge es von der zufälligen und nicht zu beeinflussenden Verfahrensdauer ab, ob einem rechtzeitig gestellten Antrag entsprochen wird oder nicht. Umstritten in Literatur und Rechtsprechung war ebenfalls, ob das unterhaltsberechtigte Kind noch über den 30.6.2003 hinaus minderjährig sein muss. Auch insoweit hat der BGH nun klar entschieden und sich dahingehend positioniert, dass diese Voraussetzung nicht gegeben sein muss und sich dem Wortlaut des § 645 Abs. 1 ZPO nicht entnehmen lässt.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 21.12.2005, XII ZB 258/03