Leitsatz
Das OLG hatte sich mit den Besonderheiten einer Abänderungsklage gegen ein Anerkenntnisurteil auseinanderzusetzen, das auf der Grundlage fiktiven Einkommens ergangen war.
Sachverhalt
Der Kläger war durch Anerkenntnisurteil vom 21.1.2002 zu Unterhaltszahlungen für seine seinerzeit vier minderjährigen Kinder verurteilt worden. Eine Erwerbstätigkeit hatte er zum damaligen Zeitpunkt nicht ausgeübt, so dass die dem Anerkenntnisurteil zugrunde liegenden Verhältnisse auf einer Einkommensfiktion beruhten. Der Kläger begehrte mit der Abänderungsklage eine Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtungen. Erstinstanzlich hatte er mit seiner Abänderungsklage keinen Erfolg. Die hiergegen von ihm eingelegte Berufung war - soweit der Kläger sie im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe weiterverfolgte - teilweise erfolgreich.
Entscheidung
Nach § 323 Abs. 1 ZPO sei eine Abänderungsklage nur dann begründet, wenn sich die Verhältnisse, die für die Verurteilung, für die Höhe oder die Dauer der Verurteilung maßgeblich gewesen seien, wesentlich geändert hätten. Die materielle Rechtskraft des Ersturteils führe grundsätzlich zu einer Bindungswirkung und erlaube deshalb weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits im vorausgegangenen Rechtsstreit eine Bewertung erfahren hätten. Dies gelte nach der Rechtsprechung des BGH auch dann, wenn es sich bei der abzuändernden Entscheidung nicht um ein kontradiktorisches Urteil mit entsprechenden Tatsachenfeststellungen, sondern - wie hier - um ein Anerkenntnisurteil handele (BGH, Urt. v. 4.7.2007 - XII ZR 251/04, FamRZ 2007, 1459, 1460 f. = BGHZ 173, 210). Bei einem Anerkenntnisurteil sei auf die tatsächlichen Umstände abzustellen, die im Zeitpunkt des Anerkenntnisses vorgelegen hätten, nicht aber auf die (subjektiven) Beweggründe, die den Unterhaltsschuldner zu seinem Anerkenntnis bewogen haben könnten.
Der Verurteilung des Klägers habe die Annahme zugrunde gelegen, dass er das ihm zugerechnete Einkommen jederzeit erzielen könne. Soweit er nunmehr die Grundlagen des Ersturteils im Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit angreife, müsse er im Hinblick auf § 323 Abs. 2 ZPO darlegen und beweisen, dass die der Verurteilung zugrunde liegende Prognose gerade aufgrund einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse seit Erlass des Anerkenntnisurteils im Jahre 2002 nicht (mehr) gerechtfertigt sei. Eine freie Korrektur der Einkommensfiktion anlässlich einer aus anderen Gründen eröffneten Abänderungsklage (Annexkorrektur) sei nicht möglich (vgl. BGH, Urt. v. 20.2.2008 - XII ZR 101/05, NJW 2008, 1525, 1526). Nach diesen Maßstäben fehle es bezüglich der Leistungsfähigkeit an einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse.
Das OLG vertrat die Auffassung, ein Unterhaltsschuldner müsse keineswegs für alle Zeiten an der Einkommensfiktion aus dem Anerkenntnisurteil festgehalten werden. Dem Unterhaltsschuldner, der sich ausreichend um eine neue Anstellung bemüht, aber hierbei keinen Erfolg gehabt habe oder nur einen Arbeitsplatz mit geringeren Einkünften habe finden können, sei mit diesem Einwand die Abänderungsklage gegen eine Einkommensfiktion eröffnet (vgl. BGH, Urt. v. 20.2.2008, a.a.O., OLG Karlsruhe FamRZ 1983, 931, 932. Wendl/Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl., § 8 Rz. 158c).
Stelle der Unterhaltsschuldner allerdings seine Bemühungen um einen Arbeitsplatz vollständig ein, müsse ihm eine Abänderung des Unterhaltstitels im Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit versagt bleiben.
Hinweis
Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast des Abänderungsklägers bedarf es eines umfassenden anwaltlichen Sachvortrages, um mit hinreichender Erfolgsaussicht gegen ein Unterhaltsurteil vorzugehen, das auf fiktive Einkünfte gestützt worden ist. Fehlende ausreichende Erwerbsbemühungen indizieren nach ständiger Rechtsprechung dabei auch eine reale Beschäftigungschance. Die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung fehlender realer Beschäftigungschancen trägt der Erwerbspflichtige. Umgekehrt kann die fehlende reale Einstellungschance durch die nachhaltigen, umfangreichen und letztendlich vergeblichen Bemühungen belegt werden. Daher müssen Versuche, eine neue Arbeitsstelle zu finden, in ausreichendem Maße unternommen worden sein und lückenlos dokumentiert werden.
Link zur Entscheidung
OLG Celle, Urteil vom 05.06.2008, 17 UF 11/08