Entscheidungsstichwort (Thema)
Abänderung eines Unterhaltsanerkenntnisurteils bei fingiertem Einkommen
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bindungswirkung eines auf Einkommensfiktionen beruhenden Anerkenntnisurteils im Abänderungsverfahren.
2. Bei der Berechnung der Haftungsquote von Eltern für den Unterhaltsbedarf ihres privilegiert volljährigen Kindes ist das Einkommen der Eltern vorweg um die Belastung durch den Barunterhalt für die minderjährigen Geschwister zu bereinigen, wenn dadurch für das volljährige Kind kein Mangelfall zu besorgen ist.
Normenkette
BGB § 1606 Abs. 3; ZPO § 323
Verfahrensgang
AG Celle (Urteil vom 16.01.2008; Aktenzeichen 8a F 8048/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 16.1.2008 verkündete Urteil des AG Celle unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
In Abänderung des am 21.1.2002 erlassenen Anerkenntnisurteils des AG Celle (8 F 8564/01) wird die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Kindesunterhalt an die Beklagten zu 2. bis 4. unter Abweisung der weitergehenden Klage wie folgt herabgesetzt:
1. bezüglich des Beklagten zu 2. (...)
- auf monatlich 143 EUR vom 14.3.2007 bis zum 30.6.2007
- auf monatlich 142 EUR vom 1.7.2007 bis zum 31.7.2007
- auf monatlich 180 EUR seit dem 1.8.2007
2. bezüglich des Beklagten zu 3. (...)
- auf monatlich 143 EUR vom 31.1.2007 bis zum 30.6.2007
- auf monatlich 142 EUR vom 1.7.2007 bis zum 31.7.2007
- auf monatlich 180 EUR vom 1.8.2007 bis zum 30.9.2007
- auf Null seit dem 1.10.2007
3. bezüglich der Beklagten zu 4. (...)
auf monatlich 165 EUR seit dem 1.8.2007
II. Die gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/2 und den Beklagten zu 2. bis 4. zu jeweils 1/6 auferlegt. Dem Kläger werden zudem die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. auferlegt. im Übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert übersteigt nicht 16.000 EUR, seit dem 29.5.2008 nicht 6.000 EUR.
Gründe
Die zulässige, insbesondere form und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat - soweit sie im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe noch weiter verfolgt wird - in der Sache teilweise Erfolg.
1. Nach § 323 Abs. 1 ZPO ist eine Abänderungsklage nur dann begründet, wenn sich die Verhältnisse, die für die Verurteilung, für die Höhe oder die Dauer der Verurteilung maßgeblich waren, wesentlich geändert haben. Die materielle Rechtskraft des Ersturteils führt grundsätzlich zu einer Bindungswirkung und erlaubt deshalb weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits im vorausgegangenen Rechtsstreit eine Bewertung erfahren haben. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH auch dann, wenn es sich bei der abzuändernden Entscheidung nicht um ein kontradiktorisches Urteil mit entsprechenden Tatsachenfeststellungen, sondern - wie hier - um ein Anerkenntnisurteil handelt (BGH, Urt. v. 4.7.2007 - XII ZR 251/04, FamRZ 2007, 1459, 1460 f. = BGHZ 173, 210). Für die Frage, auf welche Verhältnisse es für die Beurteilung einer Veränderung ankommt, ist bei einem Anerkenntnisurteil auf die tatsächlichen Umstände abzustellen, die im Zeitpunkt des Anerkenntnisses obwaltet haben, nicht aber auf die (subjektiven) Beweggründe, die den Unterhaltsschuldner zu seinem Anerkenntnis bewogen haben können (BGH, a.a.O.).
Das führt unter den obwaltenden Umständen zu folgender Ausgangssituation: Der Kläger ist durch das am 21.1.2002 erlassene Anerkenntnisurteil des AG Celle dazu verurteilt worden, an die Kinder ..., ... und ... jeweils 100 % des (damaligen) Regelbetrages in der dritten Altersstufe (269 EUR) und an die Kinder ... und ... jeweils 100 % des (damaligen) Regelbetrages in der zweiten Altersstufe (228 EUR) zu zahlen. Unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehaltes i.H.v. (seinerzeit) 840 EUR lässt sich das dem Anerkenntnisurteil zugrunde liegende bereinigte Erwerbseinkommen des Klägers mit monatlich 2.103 EUR ermitteln. Wie sich aus den beigezogenen Akten des Erstverfahrens (8 F 8564/01 AG Celle) ergibt und auch im Übrigen nicht streitig ist, hatte der Kläger schon bei Erlass des Anerkenntnisurteils am 21.1.2002 keine Erwerbstätigkeit ausgeübt, so dass die dem Anerkenntnisurteil zugrunde liegenden Verhältnisse von vornherein auf einer Einkommensfiktion beruhten.
2. Der Verurteilung des Klägers lag somit die Annahme zugrunde, dass der Kläger das ihm zugerechnete Einkommen jederzeit erzielen kann. Soweit der Kläger nunmehr die Grundlagen des Ersturteils im Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit angreift, obliegt ihm es im Hinblick auf § 323 Abs. 2 ZPO, darzulegen und zu beweisen, dass die der Verurteilung zugrunde liegende Prognose gerade aufgrund einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse seit Erlass des Anerkenntnisurteils im Jahre 2002 nicht (mehr) gerechtfertigt ist. Eine freie Korrektur der Einkommensfiktion anlässlich ei...