Leitsatz
Geschiedene Eheleute stritten um den nachehelichen Unterhalt. Der unterhaltspflichtige Ehemann begehrte die Abänderung einer Vereinbarung der Parteien wegen der Weitergeltung der zunächst nur den Trennungsunterhalt betreffenden Vereinbarung. Dort hatten sich die Parteien darauf geeinigt, dass sich der zu leistende Unterhalt allein nach den laufenden Bezügen der Parteien bemessen solle und insbesondere Wohnwerte, Vermögenserträge oder der Stamm des Vermögens unberücksichtigt bleiben sollten.
Erstinstanzlich hatte die Abänderungsklage des Ehemannes nur teilweise Erfolg. Das gegen die erstinstanzliche Entscheidung von ihm eingelegte Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Dabei wies es in seiner Entscheidung zunächst darauf hin, dass es zugunsten des Klägers die Maßstäbe anwende, die der BGH betreffend die Bestimmung dessen, was "eheliche Lebensverhältnisse" i.S.d. § 1578 BGB seien, erstmals im Jahre 2008 entwickelt habe, und zwar in zugunsten des Unterhaltsschuldners erheblicher Abweichung von den früher für richtig erachteten Rechtsgrundsätze (BGH zur Geschäftsnummer XII ZR 14/06 vom 6.2.2008).
In Anwendung dieser neuen Rechtsprechung des BGH seien spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, wann sie eingetreten seien und ob es sich um Minderungen oder Verbesserungen handele. Einkommenssteigerungen seien nur dann zu berücksichtigen, wenn sie schon während des ehelichen Zusammenlebens absehbar gewesen seien, z.B. bei einem sog. Karrieresprung nach der Scheidung. Einkommensminderungen bestimmten den Bedarf, soweit sie nicht auf einer vorwerfbaren Verletzung der Obliegenheit zu einer angemessenen Erwerbstätigkeit bzw. zur Erzielung von Vermögenseinkünften oder geldwerten Vorteilen beruhten.
Der Kläger habe gewusst, dass ihm das Renteneinkommen der Versorgungskammer sicher gewesen sei. Ungewiss sei hingegen gewesen, ob sich seine Erwartung betreffend den Verkauf seiner Praxis und der diese betreffenden Immobilie sowie der seiner Ehefrau gehörenden Eigentumswohnung im Obergeschoss realisieren würden. Insoweit hätten unstreitig rechtsverbindliche Absprachen nicht vorgelegen. Unter diesen Umständen hätte dem Kläger bewusst sein müssen, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten erheblich gefährdet sein könne, wenn sich seine Erwartungen bzgl. der zu erzielenden Erlöse nicht erfüllen sollten. Ihm sei bekannt gewesen, dass sich die Unterhaltspflicht ggü. der Beklagten allein nach seinen laufenden Bezügen richten sollte und Wohnwerte, Vermögenserträge oder gar die Inanspruchnahme des Vermögensstamms keine unterhaltsrechtliche Relevanz haben sollten.
Unter diesen Umständen habe sich der Kläger zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, dass sich seine Hoffnung, Praxis und Immobilie für rund 650.000,00 EUR verkaufen zu können, zerschlagen könnte. So sei es schließlich dann auch geschehen. Infolge dessen müsse sich der Kläger das Renteneinkommen zurechnen lassen, das er tatsächlich hinsichtlich seiner Ansprüche auf Versorgung bei der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe wegen des von ihm ausgeübten Kapitalwahlrechts nicht mehr erziele.
Ohne Erfolg berufe sich der Kläger auch auf die Bindungswirkungen wegen des zur Abänderung anstehenden Urteils. Durch dieses sei der jetzigen Beklagten weiterer Elementarunterhalt und Krankenvorsorgeunterhalt zuerkannt worden. Schließlich habe das AG Altersvorsorgeunterhalt zuerkannt. Bindungen seien insoweit schon deshalb nicht gegeben, weil das AG in dem angefochtenen Urteil der Beklagten kein Altersvorsorgeunterhalt mehr zuerkannt habe, sondern nur noch Elementarunterhalt und Krankenvorsorgeunterhalt in Rede stehe.
Die Beklagte müsse sich auch kein weiteres Einkommen zurechnen lassen, insbesondere keine fiktive Altersvorsorge wegen unterlassener Erwerbstätigkeit nach Wegfall der Kinderbetreuung. Der Kläger habe bis Ende 2008 den vereinbarten und ergänzend titulierten Unterhalt durchgehend bezahlt. Die Beklagte sei niemals angehalten worden, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Unter diesen Umstände habe sie ohne Verstoß gegen Obliegenheiten darauf vertrauen dürfen, dass ihr nicht auf dem "Umweg" über fehlende Altersversorgung annähernd zwei Jahrzehnte später vorgehalten werde, sie hätte Erwerbsarbeit leisten und damit Versorgungsanwartschaften erwerben müssen.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Urteil vom 09.04.2010, II-7 UF 261/09