Leitsatz
Ein Änderungsvorbehalt in einem Erbvertrag ist zulässig, wenn dieser dadurch nicht seines eigentlichen Wesens entkleidet wird, d.h. es muss eine vertragsgemäße Verfügung ohne Änderungsvorbehalt bestehen bleiben, oder der Erblasser dadurch in seiner Gestaltungsfreiheit beschränkt sein, dass die Änderung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich oder inhaltlich beschränkt ist.
Im Rahmen des § 2078 II BGB können nur solche Irrtümer die Anfechtung rechtfertigen, die bewegender Grund für den letzten Willen waren, ohne die also der Erlasser die Verfügung mit Sicherheit nicht getroffen hätte.
Sachverhalt
Die Beteiligten zu 2) bis 7), Kinder der 2005 verstorbenen Erblasserin und deren 1989 vorverstorbenen Ehemannes bzw. Kinder zweier vorverstorbener Geschwister, streiten über die Berechtigung der Erblasserin, in Abänderung der erbvertraglichen Schlusserbeneinsetzung aller Kinder bzw. Ersatzerbeneinsetzung der Enkel die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin einzusetzen.
Der Erbvertrag enthielt eine Klausel, die dem Überlebenden die Abänderung der Schlusserbeneinsetzung gestattete, wenn "deren Verhalten ihm nach seinem Ermessen Veranlassung hierzu" gibt. 1992 übertrug die Erblasserin der Beteiligten zu 1) die Rückübertragungsansprüche an dem "gesamten landwirtschaftlichen Grundbesitz", dessen Verkauf zum Preis von 1,9 Mio DM zuvor gescheitert war. In dem Vertrag heißt es, der Veräußerer wolle mit dem Anwesen "nichts mehr zu tun haben". 1995 veräußerte die Beteiligte zu 1) den Grundbesitz für 2,9 Mio DM.
1994 schrieben die Beteiligten zu 2) bis 6) bzw. deren Vater der Erlasserin einen Brief, in dem es u.a. heißt: "Mutter können wir eigentlich nicht mehr sagen (…) Jetzt bewahrheitet es sich, dass Du (…) es nie möglich gemacht hast, uns Kinder (…) zu akzeptieren, sondern im Gegenteil, es wurde einer gegen den anderen ausgespielt. (…) Wo sind Deine Muttergefühle? (…) bitte verlange nicht, dass wir den ersten Schritt tun sollen, denn wir sind uns keiner Schuld bewusst. In der Hoffnung, dass du im Alter in guten Händen bist, verbleiben wir…" Im Folgenden brach der Kontakt zwischen ihnen und der Erblasserin ab. Nur die Beteiligte zu 1) kümmerte sich um die Mutter, die sie daraufhin 1999 testamentarisch zur Alleinerbin bestimmte. Pflichtteilsansprüche nach dem Vater sind inzwischen verjährt.
Das Nachlassgericht wies die Erbscheinsanträge der Beteiligten zurück. Die Entcheidung wurde vom LG bestätigt. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde.
Entscheidung
Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet. Die Auslegung des Erbvertrages nach § 2278 BGB ergibt, dass die Schlechterstellung eines Schlusserben einer Rechtfertigung bedarf. Diese kann sich aus den Verhältnissen oder (negativem) Verhalten ergeben. Schwerwiegendes Fehlverhalten ist jedoch nicht erforderlich, da dies dem eröffneten Ermessensspielraum zuwider laufen würde. Ob auch das positive Verhalten eines Kindes darüber hinaus die Möglichkeit einer Besserstellung eröffnet, kann vorliegend dahingestellt bleiben.
Der Brief der Beteiligten zog einen groben Schlussstrich unter die Beziehung zur Mutter. Dies lässt die Abänderung des Testaments nachvollziehbar erscheinen und reicht damit angesichts des weiten Spielraumes als Grundlage aus. Ein negatives Verhalten des Vaters der Beteiligten zu 7) ist jedoch nicht ersichtlich, so dass das Testamt unwirksam ist, soweit es dessen Erbeinsetzung aufhebt.
Darauf, dass die übrigen Beteiligten auf ihren Pflichtteil verzichteten, kommt es nicht an. Allein in dem Umstand, dass die Eltern ihren Kindern eine Kopie des Erbvertrags aushändigten, ist kein Verfügungsunterlassungsvertrag zu sehen. Zudem stellt der Erbvertrag klar, dass der Überlebende unbeschränkter Vorerbe sein soll.
Auch ist den Beschwerdeführern nicht der ihnen obliegende Nachweis gelungen, dass die Erblasserin bei Testamentserrichtung einem nach § 2078 Abs. 2 BGB beachtlichen Motivirrtum unterlegen ist. Es ist nicht ersichtlich, dass sie den Wert ihres Nachlasses überhaupt zur Grundlage ihrer Entscheidung machte. Ausweislich des Testaments hat sie die Beteiligte zu 1) allein deshalb zur Alleinerbin eingesetzt, weil sich diese um ihr "Wohlergehen bemüht" hat. Wirtschaftliche Gesichtspunkte sind hier unbeachtlich, da die Überlassung des Grundbesitzes zeigt, dass der Erblasserin nicht daran gelegen war, diesen Vermögenswert zu erhalten. Auch ist anzunehmen, dass der erzielt Erlös ihr bekannt war.
Link zur Entscheidung
OLG München, Beschluss vom 18.09.2008, 31 Wx 08/08