Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbvertrag. Abänderungsbefugnis. Motivirrtum
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung einer Klausel in einem Erbvertrag, die dem länger lebenden Ehegatten die Abänderung der Schlusserbeneinsetzung der Kinder gestattet, wenn "deren Verhalten ihm nach seinem Ermessen Veranlassung hierzu" gibt.
2. Die Anfechtung einer Erbeinsetzung wegen Motivirrtums kann nicht darauf gestützt werden, dass der Erblasser sich bei seiner letztwilligen Verfügung nicht von den Gesichtspunkten leiten ließ, die nach Auffassung des Anfechtenden hätten ausschlaggebend sein sollen.
Normenkette
BGB §§ 2078, 2278
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 29.11.2007; Aktenzeichen 16 T 6576/07) |
AG München (Aktenzeichen 60 VI 8994/05) |
Tenor
I. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2, 3, 4 und 6 gegen den Beschluss des LG München I vom 29.11.2007 werden zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 2, 3, 4 und 6 haben als Gesamtschuldner die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Erblasserin ist am 10.7.2005 im Alter von 87 Jahren verstorben. Ihr Ehemann ist Anfang 1989 vorverstorben. Neben einer bereits als Kleinkind verstorbenen Tochter hatten die Eheleute sechs Kinder, die zwischen 1937 und 1947 geboren sind, nämlich die Töchter I. (Beteiligte zu 1), S. (Beteiligte zu 3) und B. (Beteiligte zu 4) sowie die Söhne W. (Beteiligter zu 2), H. und M. Der Sohn H. ist am 10.1.1994 verstorben; die Beteiligte zu 7 ist seine Tochter. Die Beteiligten zu 5 und 6 sind die Kinder des Sohnes M., der am 13.10.1995 verstorben ist.
Ein positiver Nachlass ist nicht vorhanden. Rückübertragungsansprüche hinsichtlich enteigneten Grundbesitzes des Ehemannes in Mecklenburg-Vorpommern hat die Erblasserin 1992 der Beteiligten zu 1 überlassen.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Erblasserin berechtigt war, in Abänderung der erbvertraglichen Schlusserbeneinsetzung aller Kinder (bzw. der Ersatzerbeneinsetzung der Enkel) die Beteiligte zu 1 zur Alleinerbin einzusetzen. Die übrigen Beteiligten haben die letztwillige Verfügung zugunsten der Beteiligten zu 1 angefochten wegen Irrtums der Erblasserin hinsichtlich des Verhaltens der Beteiligten zu 1 bzw. ihrer anderen Kinder und wegen Irrtums über den Wert der übertragenen Grundstücke in der früheren DDR.
1. Mit ihrem Ehemann hatte die Erblasserin am 21.8.1984 einen Erbvertrag geschlossen, der auszugsweise wie folgt lautet:
"I.1. Gegenseitige Erbeinsetzung
Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben (Vollerben) unseres gesamten Vermögens ein und zwar ohne Rücksicht darauf, ob und welche Pflichtteilsberechtigte wir hinterlassen werden, so dass der Überlebende von uns alleiniger Eigentümer und Berechtigter unseres Gesamtvermögens wird.
2. Bestimmung über die Beerbung des Letztversterbenden
a) Zu alleinigen und unbeschränkten Erben des Letztversterbenden von uns (Schlusserben) setzt der Überlebende von uns unsere gemeinschaftlichen Kinder M., I., H., W., S. und B., unter sich zu gleichen Teilen - also zu je einem Sechstel - ein.
b) Zu Ersatzerben des Letztversterbenden von uns - für den Fall des Vorversterbens eines unserer vorgenannten Kinder - setzt der Überlebende von uns die ehelichen Abkömmlinge dieser Kinder nach Stämmen unter sich zu gleichen Teilen ein.
c) Dem Überlebenden von uns bleibt es ausdrücklich vorbehalten, nach dem Ableben des Erstversterbenden von uns von Todeswegen noch anders zu verfügen, soweit besondere Verhältnisse (Ausbildung unserer Kinder oder Kindeskinder, Vermögenszuwendungen oder ähnliche Umstände) oder deren Verhalten ihm nach seinem Ermessen Veranlassung hierzu geben.
Dem Überlebenden von uns soll es auch vorbehalten bleiben mit unseren vorgenannten Erben oder mit einzelnen derselben zu Lebzeiten Übergaberegelungen unter Festlegung der Abfindungsansprüche für die anderen Erben zu treffen.
Hierbei sind jedoch in jedem Falle nur Verfügungen im Personenkreis unserer eingesetzten Erben möglich; Verfügungen zugunsten Dritter oder zugunsten eines etwaigen zweiten Ehegatten sollen ausgeschlossen sein.
d) Diese Erbeinsetzung nach dem Letztversterbenden von uns bleibt auch nach einer Wiederverheiratung bestehen und bindend.
3. Bestimmungen für den Fall einer Wiederverheiratung des Überlebenden
Falls der Überlebende von uns sich wieder verheiraten sollte, hat er sogleich bei der Wiederverheiratung unseren in Ziff. 2) vorstehend eingesetzten Erben im dort bestimmten Berechtigungsverhältnis, das gesamte vom Erstverstorbenen ererbte Vermögen sachvermächtnisweise bzw. quotenvermächtnisweise hinauszugeben; dabei ist für den Bestand des Vermögens der Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden und für den Wert der Zeitpunkt der Wiederverheiratung maßgebend.
Dem Überlebenden bleibt es auch hier vorbehalten einzelne Vermögensstücke an bestimmte Kinder oder Kindeskinder unter Festlegung der Abfindungsregelungen ...