Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Normenkette
§ 26 Abs. 1 WEG
Kommentar
1. Die Abberufung des Verwalters durch Gerichtsbeschluss als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung kann von jedem Wohnungseigentümer beansprucht und gerichtlich durchgesetzt werden (vgl. OLG Stuttgart, OLG Z 1977, 433; BayObLG, NJW-RR 1986, 445 = WE 1986, 64). Ein derartiger Anspruch kann zwar regelmäßig erst nach Ablehnung entsprechender Anträge in einer Eigentümerversammlung geltend gemacht werden; im Ausnahmefall kann jedoch diese Vorschaltung unterbleiben, wenn sie unzumutbar ist, insbesondere wenn in Anbetracht der Mehrheitsverhältnisse ein Mehrheitsbeschluss nicht zu erwarten ist. Im vorliegenden Fall hat deshalb das AG die Abberufung in der Hauptsache zu Recht ausgesprochen und zugleich im Wege einstweiliger Anordnung die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung angeordnet.
Verfahrensfehlerfrei sei auch der Tatsachenkomplex für die hier berechtigte Abberufung aus wichtigem Grund festgestellt worden, so insbesondere grobe Verletzung der Pflichten der in Antragsgegnerschaft stehenden Verwaltung bei der Eintreibung bzw. Zahlung von Wohngeldern sowie Nichterstellung des Entwurfs eines Wirtschaftsplanes.
2. Abberufungsgründe müssen auch nicht bereits vollständig bei Einleitung eines Verfahrens vorgelegen haben; zu beurteilen ist vielmehr, ob am Ende der letzten Tatsacheninstanz hinreichend wichtige Gründe vorhanden sind. Aus diesem Grund kann auch das Verhalten der Verwaltung (Antragsgegnerin) während des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens in die rechtliche Beurteilung miteinbezogen werden. Alle Beteiligten hätten hier Gelegenheit, sich insoweit zu verteidigen bzw. Stellung zu nehmen.
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswert in 3. Instanz von DM 10.000,-.
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 24.09.1993, 24 W 6308/92)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
An sich setzt nach der zwingenden gesetzlichen Regelung des § 26 Abs. 1 WEG die Abberufung aus wichtigem Grund einen Eigentümer-Mehrheitsbeschluss voraus. Kann dieser aus Majorisierungsgründen nicht zustande kommen, besteht an sich gerichtliche Antragsmöglichkeit (-notwendigkeit) auf Verpflichtung der restlichen Eigentümer, einer Abberufung aus wichtigem Grund zuzustimmen. Diesen Umweg erspart die Rechtsprechung offensichtlich zunehmend der Eigentümerminderheit und gestattet dieser einen Direktanspruch auf gerichtliche Abberufungsentscheidung (wohl ähnlich einer gerichtlichen Notverwalterbestellung) als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung. Minderheitengruppen werden sich in dieser Frage in Zukunft wohl verstärkt auf Gründe der Unzumutbarkeit einer vorzuschaltenden Eigentümerversammlung berufen.
Diskussionswürdig an der Entscheidung ist sicher auch die weitere Feststellung, dass bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz Gründe für eine Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grund nachgeschoben werden können und sogar das Verhalten eines abberufenen Verwalters im Rahmen des laufenden Prozesses in die rechtliche Betrachtung miteinbezogen werden kann. Dies ist offensichtlich erstmals so deutlich vom KG Berlin entschieden worden, da wohl bisher die Auffassung vertreten wurde, dass nur auf solche Gründe abgestellt werden könne, die zum Zeitpunkt des Abberufungsbeschlusses bereits vorgelegen hätten und der Gemeinschaft bekannt gewesen seien.