Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 21 Abs. 4 WEG, § 23 Abs. 4 WEG, § 26 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG
Kommentar
Über die Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grund entscheiden grundsätzlich die Wohnungseigentümer mit einfacher Beschlussmehrheit. Nach Ansicht des BayObLG kann allerdings ausnahmsweise auch ein einzelner Wohnungseigentümer ohne vorherige Anrufung der Eigentümerversammlung die Abberufung durch das Gericht verlangen, wenn die Anrufung der Eigentümerversammlung ihm nicht zugemutet werden kann.
Die Abberufung kann allerdings nicht auf Gründe gestützt werden, auf die sich eine dem Verwalter erteilte Entlastung erstreckt (nicht angefochtener Entlastungsbeschluss) und die schon bei Bestellung des Verwalters hätten berücksichtigt werden können.
Der Willezur Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses muss auch innerhalb der Anfechtungsfrist gegenüber dem Gericht klar zum Ausdruck gebracht werden.
Das Gericht hat zwar bestätigt, dass das Gesetz eine Abberufung des Verwalters durch gerichtliche Entscheidung nicht ausdrücklich vorsehe. Die begehrte Abberufung könne jedoch eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung darstellen, die jeder Wohnungseigentümer beanspruchen und gerichtlich durchsetzen könne.
Die hiervon abweichende Meinung, die Abberufung sei nur dadurch zu erzwingen, dass die übrigen Wohnungseigentümer zur Mitwirkung einer Abberufungsbeschlussfassung verpflichtet würden, sei abzulehnen, da sie die Durchsetzung einer sofortigen Abberufung unnötig erschwere. Die vorherige Anrufung der Eigentümerversammlung zum Zwecke der Herbeiführung eines Mehrheitsbeschlusses sei deshalb ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn sie dem Wohnungseigentümer, der die Absetzung des Verwalters fordere, nicht zugemutet werden könne. Ist einem Verwalter unangefochten Entlastung erteilt worden, könnten allerdings wichtige Abberufungsgründe nur dann berücksichtigt werden, soweit sie nach einer Entlastungsbeschlussfassung entstanden seien. Im vorliegenden Fall seien die behaupteten Abberufungsgründe (Fehler in der Einzelabrechnung und Protokollführung, verspätete Versendung des Protokolls, Verweigerung der Akteneinsicht) auch nicht als so schwerwiegend anzusehen, dass sie eine sofortige Abberufung rechtfertigen könnten. Persönliche Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Antragsteller und dem Verwalter berührten hier die Belange der übrigen Wohnungseigentümer nicht.
Ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Abberufung liege nur vor, wenn den Wohnungseigentümern nach Treu und Glauben eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Verwalter nicht mehr zugemutet werden könne, insbesondere wenn das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört sei.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 06.08.1985, BReg 2 Z 45/85)
Zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Die Entscheidung erleichtert im Ergebnis die Durchsetzung eines Abberufungsbeschlusses durch einen einzelnen Eigentümer, ohne erst über den Umweg eines Mehrheitsbeschlusses bzw. entsprechender Eigentümerverpflichtungen auf Beschlussfassung zum erwünschten Ziel zu gelangen. Andererseits beinhaltet die Entscheidung eine sehr weite Auslegung des § 26 Abs. 1 WEG (Beschlussfassung der Eigentümer mit Stimmenmehrheit über Bestellung und Abberufung des Verwalters), der von der herrschenden Rechtsmeinung als unabdingbares Recht angesehen wird.