Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 313 BGB, § 242 BGB, § 249 BGB, § 276 BGB
Kommentar
Wird der Abschluss eines formbedürftigen Vertrages (hier: Grundstücksverkauf) als sicher dargestellt, kann der (grundsätzlich mögliche) Abbruch der Verhandlungen durch einen Vertragspartner einen Schadenersatzanspruch des anderen Partners nur dann begründen, wenn das Verhalten des vom Vertrag abrückenden Partners einen schweren Verstoß gegen die Verpflichtung zu redlichem Verhalten bei den Vertragsverhandlungen bedeutet; dies erfordert i.d.R. die Feststellung vorsätzlichen pflichtwidrigen Verhaltens (Treuepflichtverletzung). Eine solche Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Verkäufer dem Käufer nicht mitteilt, dass er im Verlauf der Vertragsverhandlungen seine ursprüngliche Verkaufsbereitschaft aufgegeben hat.
Im vorliegenden Fall musste der Hauseigentümer einem Mieter (dem Kaufinteressenten) nach beabsichtigter Umwandlung des Hauses in Teileigentum Aufwendungen ersetzen, die der Mieter ab dem Zeitpunkt investiert hatte, in dem der Hauseigentümer wusste, dass er die Räume nicht mehr (hier: zum Preis von 750.000 DM) verkaufen würde. Rückt ein Eigentümer ohne dies zu offenbaren von seiner Verkaufsbereitschaft ab und teilt er dies dem Kaufinteressenten/Mieter nicht mit, liegt darin eine vorsätzliche Treuepflichtverletzung; der Eigentümer kann sich nach Treu und Glauben dann nicht mehr darauf berufen, dass eine vertragliche Bindung mangels notarieller Beurkundung eines Kaufes nicht bestehe.
Link zur Entscheidung
( BGH, Urteil vom 29.03.1996, V ZR 332/94= WM 6/1996, 324)
Zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung, Umwandlung
Anmerkung:
Das Verpflichtungsgeschäft zur Veräußerung oder zum Erwerb eines Grundstückes/eines Wohnungseigentums/eines Teileigentums bedarf stets notarieller Beurkundung nach § 313 BGB. Dies gilt auch für Vorverträge und unwiderrufliche Vollmachten für solche Immobiliengeschäfte. Grundsätzlich darf auch ohne notarielle Beurkundung eines Verkaufsgeschäftes kein indirekter Zwang für beide Beteiligte zum Vertragsabschluss entstehen. Nur wenn ein Vertragsabschluss nach Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen ist und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrages vor dessen Abschluss gemacht werden, können diese vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens vor/bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo = c.i.c.) zu erstatten sein, wenn ein Partner den Vertragsabschluss später ohne triftigen Grund ablehnt (h. M.).