Leitsatz (amtlich)

  1. Scheidet ein Gesellschafter aus einer Freiberuflersozietät gegen Zahlung einer Abfindung aus, welche auch den Wert des Mandantenstammes abgelten soll, hat dies mangels abweichender Abreden zur Folge, dass der ausscheidende Gesellschafter die Mandanten der Sozietät nicht mitnehmen darf, sondern sie - längstens für zwei Jahre - seinen bisherigen Partnern belassen muss.
  2. Mandantenschutzklauseln, die für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer Freiberuflersozietät vereinbart werden, enthalten ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das räumlich und gegenständlich hinreichend bestimmt ist. Soweit eine solche Klausel das zeitlich tolerable Maß von zwei Jahren überschreitet, führt dies nicht zur Nichtigkeit der Abrede, sondern hat lediglich die zeitliche Begrenzung des Mandantenschutzes auf längstens zwei Jahre zur Folge.
 

Zum Tatbestand

Der klagende Rechtsanwalt war seit 1992 mit den beiden Beklagten in einer Sozietät verbunden, zu welcher drei Tochter-Steuerberatungsgesellschaften gehörten. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs steht fest, dass der Kläger zum 31.12.1994 aus der Sozietät ausgeschieden ist. § 9 des Sozietätsvertrages (SozVer) bestimmt über die Auseinandersetzung beim Ausscheiden eines Partners u.a. folgendes:

  1. "Der ausgeschiedene Partner erhält als Auseinandersetzungsguthaben den seiner Gewinnbeteiligung {beim Kläger: 9%} entsprechenden Anteil am Jahresumsatz, zuzüglich des Saldos auf seinem Verrechnungskonto. Maßgeblich ist der Umsatz" des letzten Geschäftsjahres der Sozietät; Umsätze von Tochterunternehmen sind entsprechend der Beteiligungsquote der Sozietät einzubeziehen. Damit ist auch sein entsprechender Anteil an den stillen Reserven und am "good will" der Praxis abgegolten.
  2. Wird die Praxis beim Ausscheiden eines Partners von keinem der verbleibenden Partner fortgeführt, tritt an die Stelle des Jahresumsatzes i.S.v. Abs. 1 der Verwertungserlös.
  3. Das Auseinandersetzungsguthaben ist … in halbjährlichen Raten auszuzahlen

    Das danach zugunsten des Klägers ermittelte Guthaben beträgt 181 332,78 DM. Unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 3 SozVer hat der Kläger, der sich zunächst einer höheren Abfindung berühmt hatte, von den Beklagten die Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen verlangt. Die Beklagten haben geltend gemacht, ihnen stünden die Abfindungsforderung weit übersteigende Schadenersatzansprüche zu, weil der Kläger unter Verstoß gegen das in § 10 SozVer ("Es besteht grundsätzlich Mandantenschutz für die Sozietät") niedergelegte Verbot Mandanten abgeworben habe und betreue. Sie haben deswegen gegenüber der Auseinandersetzungsforderung die Aufrechnung erklärt und mit der Widerklage Zahlung des überschießenden Betrages von 248 536 DM nebst Zinsen gefordert.

Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage in Höhe von 193 726,62 DM entsprochen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Widerklage abgewiesen und der Klage stattgegeben.

 

Aus den Entscheidungsgründen

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das OLG hat angenommen, § 10 SozVer begründe keine Pflichten, deren Verletzung die von den Beklagten erhobenen Schadenersatzansprüche auslösen könnten. § 10 enthalte nämlich, wie sich aus dem Wort "grundsätzlich" und der mangelnden Bestimmtheit der Aussage ergebe, lediglich einen Programmsatz; im Übrigen wäre die Klausel aber auch wegen ihrer fehlenden zeitlichen, räumlichen und gegenständlichen Begrenzung nichtig, wenn man ihr Regelungsgehalt beilegen wollte. Dies hält in mehrfacher Hinsicht der revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand.

II.

Das Berufungsgericht missdeutet das in § 10 SozVer verwandte Wort "grundsätzlich", verletzt den Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung[1], indem es die genannte Bestimmung isoliert und ohne ihren Zusammenhang mit § 9 SozVer betrachtet, und wird bei seiner Hilfserwägung zur Nichtigkeit der Mandantenschutzklausel von einem Fehlverständnis der Bedeutung und Tragweite einer solchen Vereinbarung geleitet.

  1. Der Sozietätsvertrag der Parteien enthält in den §§9 und 10 aufeinander abgestimmte, der Annahme des Berufungsgerichts, der Mandantenschutz solle keinen rechtsverbindlichen Charakter haben, entgegenstehende Regelungen. Nach § 9 ist das Auseinandersetzungsguthaben eines ausscheidenden Gesellschafters als gewinnproportionaler Anteil am letzten Jahresumsatz der Sozietät einschließlich ihrer Töchter zu ermitteln. Damit erhält der Betroffene - wie in § 9 Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich bestimmt wird - zugleich seinen Anteil an den stillen Reserven und am "good will" der Sozietät. Diese Regelung tritt an die Stelle der in früheren Entscheidungen des Senats als angemessene Auseinandersetzung einer Freiberuflersozietät bezeichneten Regelung, dass die Sachwerte geteilt werden und jeder Partner die rechtlich nicht beschränkte Möglichkeit erhält, um Mandanten der bisherigen Praxis zu werben[2]. Da bei einer Sozietät von Freiberufl...

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