Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 10 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, Abs. 3 WEG, § 23 Abs. 1 WEG, § 133 BGB, § 1004 BGB, § 256 ZPO
Kommentar
1. Was die Abgrenzung zwischen einem allstimmig gefassten Eigentümerbeschluss und einer (nicht im Grundbuch eingetragenen) Vereinbarung betrifft, kommt es nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den Inhalt an. Von einer Vereinbarung ist dann auszugehen, wenn eine Regelung des betreffenden Gegenstandes durch Mehrheitsbeschluss gegen den Willen des betroffenen Wohnungseigentümers nicht möglich wäre. Diese Grundsätze gelten auch in einer zweigliedrigen Eigentümergemeinschaft.
Ob eine von allen Eigentümern einstimmig getroffene Regelung einen Eigentümerbeschluss oder eine Vereinbarung darstellt, ist Auslegungsfrage, vom Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt, nämlich auf Rechtsfehler hin überprüfbar. Von einem Beschluss im technischen Sinne ist dann auszugehen, wenn ein Gegenstand geregelt wird, der einem Mehrheitsbeschluss auch zugänglich ist. Auf die Wahl des Wortes "beschließen" kommt es nicht entscheidend an, zumal auch Vereinbarungen meist in der Form einer Beschlussfassung getroffen werden.
Eine Überlassung eines im Sondereigentum stehenden Raumes an einen anderen Eigentümer kann nun nicht nach § 23 WEG beschlossen werden. Gegen den Willen des betroffenen Eigentümers kann eine Eigentümermehrheit eine solche Regelung durch Beschluss nicht durchsetzen. Bei der vorliegenden "Abmachung" kann es sich deshalb nur um eine Vereinbarung der Eigentümer handeln, die, um wirksam zu sein, als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch hätte eingetragen werden müssen. Geschieht dies nicht, wirkt sie gegen Eigentümer selbst dann nicht, wenn sie Eigentümern beim Erwerb des Wohnungseigentums bekannt war. Insoweit hat eine im Grundbuch nicht eingetragene Vereinbarung nur schuldrechtliche Wirkung der Beteiligten untereinander.
2. Bei dem Anspruch auf Räumung und Herausgabe ist zweifelhaft, ob § 985 BGB auch einen Anspruch auf Räumung eines herauszugebenden Gebäudes oder Gebäudeteils gewährt; allerdings ist ein solcher Anspruch auf Räumung eines Kellers, d. h. auf Wegschaffung aller dort befindlichen Sachen und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands jedenfalls nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB begründet, ohne dass eine Verpflichtung zur Duldung besteht ( § 1004 Abs. 2 BGB).
3. Ein Feststellungsantrag im wohnungseigentumsgerichtlichen Verfahren wird nicht dadurch unzulässig, dass ein Antragsgegner einen Leistungsgegenantrag stellt, in dessen Rahmen notwendigerweise über den Gegenstand des Feststellungsantrags mitentschieden werden muss. Dem Gegenantrag steht im Übrigen auch nicht der Einwand der Rechtshängigkeit entgegen, denn positiver Feststellungsantrag und der auf Leistung gerichtete Gegenantrag sind nicht auf dasselbe Ziel gerichtet und haben somit nicht denselben Verfahrensgegenstand. Der zulässige Gegenantrag beseitigt allerdings auch nicht das rechtliche Interesse der Antragsteller an alsbaldiger Feststellung ihres Besitzrechts, auch wenn mit der Entscheidung über den auf Räumung und Herausgabe gerichteten Leistungsgegenantrag der Antragsgegner notwendigerweise darüber entschieden werden muss, ob Antragsteller zum Besitz des Kellers im vorliegenden Fall berechtigt sind oder nicht. Die Rechtslage zum Feststellungsantrag und Gegenleistungsantrag ist hier anders zu beurteilen als im Zivilprozess; im WEG-Verfahren kann ein Antragsteller seinen Antrag jederzeit zurücknehmen; deshalb wird der erhobene Feststellungsantrag nicht dadurch unzulässig, dass ein Leistungsantrag mit einem identischen oder im Wesentlichen übereinstimmenden Verfahrensgegenstand anhängig gemacht wird.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 02.08.1989, BReg 2 Z 39/89)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung