Leitsatz
Für eine Abmahnung nach § 314 BGB genügt die bloße Rüge vertragswidrigen Verhaltens nicht; darüber hinaus muss aus der Erklärung des Gläubigers für den Schuldner deutlich werden, dass die weitere vertragliche Zusammenarbeit auf dem Spiel steht und er für den Fall weiterer Verstöße mit rechtlichen Konsequenzen rechnen muss.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 314
Kommentar
Zwischen den Parteien eines sog. Factoringvertrags (Vertrag über den Ankauf von Forderungen) war vereinbart, dass der Käufer (Factor) dem Verkäufer den Kaufpreis zunächst als Vorschuss zur Verfügung stellt und dass der Verkäufer für den entsprechenden Betrag Zinsen in Höhe von 4,05 Prozentpunkten über dem Drei-Monats-Euribor zu zahlen hatte. Im Januar 2009 erklärte der Factor, dass er für die als Vorschuss gutgeschriebenen Kaufpreisforderungen ab sofort Zinsen in Höhe von 4,80 Prozentpunkten über dem Drei-Monats-Euribor berechnen werde. Der Kunde teilte dem Factor daraufhin mit, dass er die Zinserhöhung als vertragswidrig ansehe. Gleichwohl berechnete der Factor weiterhin den erhöhten Zinssatz; der Kunde erhielt in der Folgezeit lediglich den um den jeweiligen Zinsbetrag geminderten Kaufpreis. Wegen dieses Verhaltens kündigte der Kunde im August 2009 den Factoringvertrag aus wichtigem Grund.
Da der Factoringvertrag ein Dauerschuldverhältnis begründet, richtet sich die Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB. Die Kündigung setzt zum einen voraus, dass dem Kündigenden die weitere Vertragsfortsetzung nicht zugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 BGB). Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Vertragspflicht, ist die Kündigung gem. § 314 Abs. 2 BGB"erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig". Eine vergleichbare Regelung besteht für die außerordentliche fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gem. § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB. In beiden Fällen stellt sich die Frage, welche Anforderungen an die Abmahnung zu stellen sind.
Für den Bereich des § 314 BGB wird in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten, dass es genügt, wenn die Abmahnung den wichtigen Grund, also das vertragswidrige Verhalten, hinreichend genau bezeichnet (von Hase, NJW 2002, S. 2278, 2280).
Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Danach muss die Abmahnung den Schuldner zum einen darauf hinweisen, dass er vertragliche Pflichten verletzt hat. Zum anderen muss sich aus der Abmahnung ergeben, dass dem Schuldner "für den Fall eines weiteren Vertragsverstoßes Konsequenzen drohen". Zwar sei keine ausdrückliche Kündigungsandrohung erforderlich. Jedoch müsse für den Schuldner "deutlich werden, dass die weitere vertragliche Zusammenarbeit auf dem Spiel steht (Rz. 17)". Im Entscheidungsfall hatte der Kunde lediglich das vertragswidrige Verhalten des Factors gerügt, aber keine Konsequenzen angedroht. Aus diesem Grund hat der BGH die Kündigung für unwirksam erachtet.
Fristlose Kündigung in Abmahnung ankündigen
Hat der Mieter eine Vertragspflicht verletzt, so kann der Vermieter in bestimmten Fällen wahlweise Unterlassungsklage erheben oder das Mietverhältnis fristlos kündigen. Sowohl die Unterlassungsklage als auch die fristlose Kündigung setzen eine Abmahnung voraus. Deshalb stellt sich die Frage, ob die vom Vermieter beabsichtigte Maßnahme bereits in der Abmahnung angekündigt werden muss.
Nach den Ausführungen unter Rz. 17 des hier besprochenen Urteils ist dies jedenfalls dann ratsam, wenn durch die Abmahnung eine Kündigung vorbereitet werden soll. Dann sollte sich aus der Abmahnung ergeben, dass bei weiteren Vertragsverstößen "die weitere vertragliche Zusammenarbeit auf dem Spiel steht".
Eine vergleichbare Problematik ergibt sich, wenn der Mieter die Beseitigung eines vertragswidrigen Zustands, z.B. eine Mangelbeseitigung, verlangt. Hier hat der Mieter bei Untätigkeit des Vermieters die Wahl zwischen der Erfüllungsklage (§ 535 Abs. 1 BGB), der Minderung (§ 536 BGB), dem Schadensersatzanspruch (§ 536a BGB) und der fristlosen Kündigung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Plant der Mieter eine Kündigung, so setzt diese gem. § 543 Abs. 3 BGB grundsätzlich eine Abmahnung voraus. Auch hier sollte sich aus der Abmahnung ergeben, dass im Fall der Untätigkeit des Vermieters die weitere Vertragsfortsetzung infrage steht.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 12.10.2011, VIII ZR 3/11, NJW 2012 S. 53