Leitsatz

Eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrags verwendete Klausel, die die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums durch den Bauträger selbst als Erstverwalter ermöglicht, ist unwirksam.

 

Normenkette

§§ 242, 305c Abs. 2, 307 Abs. 1 BGB; § 13 Nr. 4, 5 VOB/B

 

Das Problem

  1. 2002 erwirbt K von Bauträger B ein Wohnungseigentumsrecht in einer aus 10 Wohnungen bestehenden, zu sanierenden Wohnungseigentumsanlage in einem denkmalgeschützten Industriebaugebiet. Für die Mängelhaftung gilt die VOB/B als vereinbart. In Abänderung derselben soll die Gewährleistungsfrist aber 5 Jahre ab Übergabe betragen. Bei Übergabe protokollarisch festgestellte Mängel sollen auf Veranlassung und Kosten von B behoben werden. Das gemeinschaftliche Eigentum soll "durch die Verwaltung gemäß WEG, gegebenenfalls unter Anwesenheit von Erwerbern", abgenommen werden. Verwalter zum Vertragszeitpunkt ist B.
  2. B erbringt in der Folgezeit "Sanierungsleistungen" und meldet das gemeinschaftliche Eigentum sowie die Wohnungen im Herbst 2004 als bezugsfertig. B lädt ferner zu einem Abnahmetermin hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums am 12.11.2004 ein, an den die 3 Verwaltungsbeiräte teilnehmen. Das Abnahmeprotokoll wird dabei von B für die Übernehmer- und Übergeberseite unterschrieben.
  3. Wegen der Mängel zahlt K den vereinbarten Kaufpreis nicht, hinterlegt aber auf dem Notaranderkonto 90.000 EUR der von ihm geschuldeten 194.620 EUR. Zwischen K und B kommt es wegen des unvollständig hinterlegten Kaufpreises zu einem Rechtsstreit, in dem B die Rückabwicklung des Erwerbsvertrags begehrt. Diese Klage wird abgewiesen, weil wegen diverser bestehender Mängel die Fälligkeit der Kaufpreiszahlung verneint wird.
  4. Ende 2009 erhebt K Klage wegen Mangelbeseitigung/Nacherfüllung. K macht insgesamt 49 Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum geltend. B erhebt unter anderem die Einrede der Verjährung. Das Oberlandesgericht verurteilt B unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Beseitigung zahlreicher, näher bezeichneter Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum. Mit Revision verfolgt B ihren Klageabweisungsantrag weiter.
 

Die Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! B sei zu einer Abnahme aufgrund der Abnahmeklausel in § 4 des Erwerbsvertrags nicht berechtigt gewesen. Eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrags verwendete Klausel, die die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums durch einen vom Bauträger bestimmbaren Erstverwalter ermögliche, sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (Hinweis auf BGH v. 12.9.2013, VII ZR 308/12, BauR 2013 S. 2020 Rn. 7 ff.).
  2. Ob der "Verwaltungsbeirat" (= die Verwaltungsbeiräte) wirksam mit der Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums bevollmächtigt worden sei, könne dahinstehen. Denn es sei nicht erkennbar, dass die Verwaltungsbeiräte am 12.11.2004 selbst eine Abnahme erklärt hätten.
  3. B sei es als Verwender der unwirksamen Formularklausel in § 4 des Vertrags nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich gegenüber K darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums noch im Erfüllungsstadium befinde (Hinweis auf BGH v. 25.2.2016, VII ZR 49/15, BauR 2016 S. 1013 Rn. 42 und BGH v. 12.5.2016, VII ZR 171/15, Rn. 58). Die Darlegungs- und Beweislast für die Mängelfreiheit treffe aber B, da tatsächlich keine wirksame Abnahme vorliege (Hinweis auf BGH v. 23.8.2008, VII ZR 64/07, BauR 2009 S. 237 Rn. 14). B's Einrede der Verjährung greife nicht durch. Die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB beginne erst mit der Abnahme, § 634a Abs. 2 BGB.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Eine vom Bauträger geschuldete Leistung entgegenzunehmen und über ihre Ordnungsgemäßheit zu entscheiden, ist nach der gesetzlichen Regelung in §§ 640, 641 BGB originär Sache der einzelnen Erwerber. Das gilt auch für das gemeinschaftliche Eigentum. Jedenfalls Bauträger haben jedoch ein Interesse daran, dass das gemeinschaftliche Eigentum zeitgleich und einheitlich durch eine Person rechtlich abgenommen wird.
  2. Viele Bauträgerverträge sehen daher – wie hier – die Abnahme durch den Verwalter vor. Die Gerichte halten das für unwirksam. Beanstandet wird dabei insbesondere Folgendes:

    • "Verdrängungseffekt": Unwirksam sind Klauseln, die dem Erwerber faktisch jede Möglichkeit nehmen, eine Abnahme durch den Bevollmächtigten zu verhindern – insbesondere durch unwiderrufliche Vollmachten oder einen (scheinbaren) Ausschluss des originären Rechts, selbst die Abnahme zu erklären.
    • Mangelnde Neutralität: Der Erwerber wird unangemessen benachteiligt, wenn der Abnehmende nicht unabhängig und neutral ist, sondern "aus dem Lager" des Bauträgers kommt.
  3. Im Fall stellt sich das "Neutralitäts-Problem". Der vom Bauträger "eingesetzte" Erstverwalter wird insoweit nach mittlerweile einhelliger Auffassung als grundsätzlich ungeeignet angesehen.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Wohnungseigentümern ist unbenommen, den Verwalter jenseits des Erwerbsvertrags jeweils individuell für die Abnahm...

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