Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Ausnahmsweise kann auch beschlossene "Instandhaltungsrücklage" als "Sollstellung" auf der Ausgabenseite einer Jahresgesamtabrechnung aufgenommen werden.
Normenkette
§ 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG, § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Abs. 3, 5 WEG
Kommentar
Es entspricht nunmehr h. R. M., dass eine Jahresabrechnung eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben in dem betreffenden Wirtschaftsjahr enthalten muss; sie ist keine Gewinn- und Verlustrechnung, die die tatsächlichen Beträge einander gegenüberzustellen hat; hierzu gehören auch Einzelabrechnungen, in denen die Ausgaben unter Mitteilung des jeweils angewendeten Verteilungsschlüssels auf die einzelnen Wohnungseigentümer aufgeteilt werden. Forderungen oder Verbindlichkeiten der Gemeinschaft sind grundsätzlich nicht in die Abrechnung aufzunehmen (vgl. auch Deckert, NJW 89, 1064ff.).
Im vorliegenden Fall war ein im Wirtschaftsplan beschlossener Rücklagebetrag tatsächlich nicht einem eigenen Bankkonto (wenigstens buchungsmäßig) zugeführt worden. Dennoch konnte er unter dem Posten "Reparaturrücklage" unter die in der Jahresabrechnung aufgeführten Ausgaben aufgenommen werden. Bei einer Rücklage handelt es sich nicht umAusgaben im üblichen Sinne; es geht hier nicht darum, tatsächlich angefallene Lasten und Kosten abzurechnen, sondern um die Bildung eines für einen besonderen Zweck bestimmten Vermögens der Gemeinschaft.
Dieses Ziel gebietet es, die Rücklage in der Jahresgesamtabrechnung mit demselben Betrag anzusetzen wie im Wirtschaftsplan und in den Einzelabrechnungen die auf säumige Eigentümer treffenden Salden auszuweisen. Andernfalls würden säumige Wohnungseigentümer insoweit von ihrer Beitragspflicht frei, d. h. es würden sich Salden zu ihren Gunsten (Überzahlungen) ergeben und die Bildung einer ausreichenden Rücklage unterbleiben, was nicht mit Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung ( § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG) vereinbar wäre. Zum Ausgleich müssten weitere Beschlüsse (etwa über die Bildung einer erhöhten Rücklage für das folgende Jahr oder über eine Sonderumlage) gefasst werden. Aus diesem Grund kann es hingenommen werden, dass die Rücklage mit dem - dem Wirtschaftsplan entsprechenden - Betrag (Sollbetrag) unter die Ausgaben der Jahresgesamtabrechnung aufgenommen wird, auch wenn dies die Klarheit und Übersichtlichkeit der Jahresabrechnung beeinträchtigt. Vorzuziehen wäre es freilich, über die Rücklage gesondert abzurechnen und die Fehlbeträge als solche gesondert auszuweisen; dann würde deutlich, dass es sich hierbei nicht um tatsächliche Ausgaben der Gemeinschaft handelt.
Auf jeden Fall gehört zu einer vollständigen Abrechnung noch eine Übersicht über den Stand der Instandhaltungsrücklage (Kontostand zu Beginn und zum Ende des Wirtschaftsjahres, Zugänge und Entnahmen). Fehlen diese Angaben, so führt dies aber nicht zu einer Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses über die Gesamtabrechnung.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 09.08.1990, BReg 2 Z 79/90)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Diese vom BayObLG nunmehr ausgesprochene Ausnahmemöglichkeit, einen beschlossenen Rücklagebetrag als Sollstellung auf der Ausgabenseite einer Gesamtabrechnung buchen zu können, erscheint mir mit den bisherigen Grundsätzen nur tatsächlich vom Gemeinschaftskonto ausgegebener und zu dokumentierender Zahlungen nicht vereinbar.
Eine für ein bestimmtes Wirtschaftsjahr wirksam beschlossene Rücklagenzuführung kann und wird auch in der Praxis bisher von Verwaltern monatlich oder zumindest vor Ablauf des Geschäftsjahres als Gesamtbetrag vom Girokonto, auf das die einzelnen Wohngeldvorauszahlungen der Eigentümer eingehen, auf ein anderes Buchungskonto bzw. separates Rücklagebankkonto umgebucht. Dieser gesamte Umbuchungsbetrag ist dann auch tatsächlich abgeflossen und als tatsächliche Ausgabe zu behandeln und abzurechnen.
Haben einzelne Eigentümer ihr Wohngeld oder Anteile desselben nicht bezahlt (in der Wohngeldvorauszahlung ist auch der anteilige Betrag für die Rücklagenbildung enthalten), erhöht sich eben in den saldierenden Einzelabrechnungen die Säumnisschuld; Fehlbestände müssen nachentrichtet bzw. nach Abrechnungsgenehmigung eingefordert und ggf. eingeklagt werden. Eine Notwendigkeit, bei dieser Position allein die Sollstellung abzurechnen (auch ohne Zahlung und Überführung des gesamten Sollbetrags als tatsächliche Ausgabe auf ein anderes Konto), erscheint mir nicht erforderlich; diese Rechtsmeinung geht nicht konform mit den bisher klaren Abrechnungsgrundsätzen nach verfestigter Rechtsprechung des BayObLG und verkompliziert das tatsächliche Ist-Einnahmen- und Ausgaben-Abrechnungswesen erneut.