Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Auch das BayObLG fordert nunmehr nicht die Beschlussanfechtung hinsichtlich einer genehmigten Einzelabrechnung (hier: durch den Zwangsverwalter), wenn die - nach Zwangsverwaltungs-Anordnung beschlussgenehmigte - Einzelabrechnung schuldbetragsmäßig nicht auf die sog. Abrechnungsspitze beschränkt sein sollte (Einschränkung eigener Senatsentscheidung, BayObLGZ 91, 83)
Irrtümlich vom Zwangsverwalter geleistete "Überzahlungen" müssen ihm von der Gemeinschaft aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückbezahlt werden!
Normenkette
§ 16 Abs. 2 WEG, § 155 Abs. 1 ZVG, § 812 Abs. 1 BGB
Kommentar
1. Bei angeordneter Zwangsverwaltung eines Wohnungseigentums hat nach § 155 Abs. 1 ZVG der Zwangsverwalter die Ausgaben der Verwaltung aus den Nutzungen des Wohnungseigentums vorweg zu bestreiten. Allerdings betrifft dies nur die nach Anordnung der Zwangsverwaltung fällig werdenden Wohngeldforderungen als Ausgaben der Verwaltung im Sinne des § 16 Abs. 2 WEG. Wird nach Anordnung der Zwangsverwaltung die Jahresabrechnung beschlossen, hat der Zwangsverwalter den Schuldsaldo dieser Abrechnung (Einzelabrechnung) mit Ausnahme derjenigen darin enthaltenen Beträge vorab zu bestreiten, die bereits vorher fällig geworden sind (aufgrund eines Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung eines vorangegangenen Geschäftsjahres oder über einen Wirtschaftsplan). Dies gilt auch dann, wenn der genehmigende Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung vom Zwangsverwalter nicht angefochten und damit bestandskräftig wird (Einschränkung gegenüber Senatsentscheidung vom 14. 2. 1991, BayObLGZ 91/93)!
Mit dieser neuen Meinung bezieht sich das BayObLG nunmehr ebenfalls auf die BGH-Rechtsprechung zum Konkursfall (NJW 94, 1866) und zur rechtsgeschäftlichen Veräußerung (NJW 96, 725). Somit war nach Meinung des Senats auch nicht von einer Vorlagepflicht der Sache an den BGH auszugehen (trotz anderweitiger OLG-Rechtsprechung in dieser Frage). Auch der Zwangsverwalter ist in Einzelabrechnungen nach Wohnungsbeschlagnahme allein mit der sog. Abrechnungsspitze zu belasten, auch wenn hier im Sinne der BGH-Rechtsprechung Jahresabrechnungs-Genehmigungsbeschlüsse entwertet werden. Muss nach BGH ein Konkursverwalter Genehmigungsbeschlüsse nicht anfechten (um die Nachzahlungshöhe zu reduzieren), gilt dies auch für den Zwangsverwalter.
Somit musste im vorliegenden Fall auch nicht abschließend entschieden werden, ob ein alter Jahresabrechnungs-Schuldsaldo (Saldenvortrag) Gegenstand der neuerlichen Abrechnungsbeschlussfassung war oder nur nachrichtlich in dieser Jahresabrechnung mitgeteilt wurde. Vorliegend sprach alles dafür, dass auch frühere Abrechnungs-Schuldsalden in die neuerlich beschlossene Jahresabrechnung einbezogen wurden.
2. Übersieht hier der Zwangsverwalter, dass in einer nach der Anordnung der Zwangsverwaltung beschlossenen Jahresabrechnung auch der Schuldsaldo aus einem vorangegangenen Jahr enthalten ist, und bezahlt er deshalb (irrig) den vollen Schuldsaldo (also mitbeschlossene Saldenvorträge), sind die Eigentümer zur Rückzahlung des auf die frühere Jahresabrechnung entfallenden Betrages wegen ungerechtfertigter Bereicherung ( § 812 Abs. 1 BGB) verpflichtet.
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswert aller Rechtszüge von DM 51.333,10.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 30.04.1999, 2Z BR 33/99= BayObLGZ 1999 Nr. 26)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Das BayObLG folgt mit dieser neuen und frühere Rechtsprechung ändernden Entscheidung sinngemäß nunmehr auch der Vorlageentscheidung des KG Berlin an den BGH ( KG Berlin, Entscheidung vom 18. 11. 1998, Az.: 24 W 5437/97mit kritischer Anmerkung meinerseits). Konsequenterweise bezieht sich meine Kritik nun auch auf die neue Entscheidung des BayObLG (zur Zwangsverwaltung), auch wenn die Meinung des BayObLG nunmehr der Rechtsprechung des BGH von 1994 und 1995 angepasst wurde (und zwar des IX. Zivilsenats zum Konkursfall und des V. Zivilsenats zur rechtsgeschäftlichen Sondernachfolge im Eigentum). Weder der BGH noch neuerlich das BayObLG haben sich allerdings bisher mit der Problematik der Verbindlichkeitswirkung und Bindung jeglicher bestandskräftig werdender Beschlüsse nach § 10 Abs. 3 WEG auseinander gesetzt, also auch solcher bestandskräftig gewordener (allerdings nicht nichtiger) Beschlüsse, die abdingbares Gesetz oder in einer Gemeinschaftsordnung getroffene Vereinbarungen ändern (sog. Zitterbeschlüsse). Sollen solche Zitterbeschlüsse nunmehr, wenn sie nicht höchstrichterlicher Rechtsprechung entsprechen, gänzlich in Frage gestellt werden? Aus meiner praktischen Erfahrung in Wohngeldforderungsprozessen halte ich an meinem Vorwurf fest, dass mit dieser Rechtsprechung (die sicher auch neuerlich auf Vorlage des KG Berlin vom BGH bestätigt werden dürfte) zwar Rechtsnachfolger begünstigt werden (keinerlei Wohngeldrückstands-Haftung!), dass in gleicher Weise hiermit jedoch Interessen der Gemeinschaft geschädigt werden; dies deshalb, da gegen insolvent gewordene Vo...