Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Nichtiger Beschluss der Genehmigung einer Abrechnung, die offene Altschulden aus der Zeit vor Entstehung der Eigentümergemeinschaft und aus einer anderen Wirtschaftsperiode ausweist
Normenkette
§ 16 Abs. 2 WEG, § 23 Abs. 1 WEG, § 28 Abs. 5 WEG
Kommentar
Ein die Jahresabrechnung 1987 billigender Eigentümerbeschluss (gefasst 1988) ist wegen absoluter Unzuständigkeit der Eigentümerversammlung jedenfalls insoweit nichtig, als die Jahresabrechnung offene Altschulden (hier: Aufzugskosten aus der Zeit vom 1. 6. bis 30. 11. 1983!) aus der Zeit vor Entstehung der Eigentümergemeinschaft und aus einer anderen Bewirtschaftungsperiode ausweist (Abgrenzung zur Entscheidung des KG vom 30. 4. 1986, WE 86, 103 = NJW-RR 86, 1274 = ZMR 86, 295 = WM 86, 357).
Der mehrheitlich gefasste und nicht angefochtene Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung 1987 konnte keine Zahlungsverpflichtungen der Antragsgegnerseite zur Zahlung in der Zeit vom 1. 6. bis 30. 11. 1983 angefallenen und in der Einzelabrechnung für 1987 zu deren Lasten ausgewiesenen Aufzugskosten auslösen, da dieser Beschluss gegen die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 16 Abs. 2, 23 Abs. 1 und 28 Abs. 5 WEG verstoße und damit absolut nichtig sei. Die streitigen Aufzugskosten 1983 seien in einer Zeit erwachsen, in der eine Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht bestanden habe; diese sei erst nach dem 30. 11. 1983 mit der Eintragung des 1. Erwerbes im Wohnungsgrundbuch begründet worden. Der Senat habe bereits entschieden, dass einer Eigentümergemeinschaft jegliche Kompetenz fehle, durch Eigentümerbeschluss Rechtsverhältnisse für einen Zeitraum vor Entstehen der Gemeinschaft festzulegen, und dass ein gleichwohl gefasster Beschluss gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoße (Entscheidung vom 16. 9. 1988, NJW-RR 1989, 17 = WE 1988, 193); in dieser Entscheidung konnte die Frage einer Beschlussnichtigkeit offen bleiben, da der betreffende Eigentümerbeschluss rechtzeitig angefochten worden sei.
Im vorliegenden Fall habe der Versammlung jegliche Kompetenz gefehlt, einen Eigentümerbeschluss zu fassen, so dass er wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig sei (ebenso ständige Rechtsprechung des BayObLG, z. B. NJW-RR 86, 179 und NJW-RR 87, 329, der insoweit beigetreten werde).
Im vorliegenden Fall konnte also die Gemeinschaft, die im April 1988 den die Jahresabrechnung für 1987 billigenden Beschluss gefasst hatte, grundsätzlich niemals Gläubigerin der vor Entstehung der Eigentümergemeinschaft angefallenen Aufzugskosten sein. Dass die die Aufzugskosten betreffenden und bis November 1983 erwachsenen Altschulden der Voreigentümer nachträglich aus Gemeinschaftsmitteln getilgt worden wären, sei im Übrigen nicht ersichtlich und von den Antragstellern auch nicht geltend gemacht, so dass für die Vorinstanzen kein Anlass zu entsprechenden Ermittlungen bestand. Eine Gläubigerstellung hinsichtlich dieser vor Entstehung der Gemeinschaft angefallenen Altschulden konnte der Gemeinschaft danach auch nicht durch Beschlussfassung gemäß § 28 Abs. 5 WEG verschafft werden, wobei der Umstand, dass der betreffende Eigentümerbeschluss bestandskräftig geworden sei, an diesem Ergebnis nichts ändere, da die Versammlung für eine solche Beschlussfassung absolut unzuständig gewesen sei.
Bei der Senatsentscheidung vom 30. 4. 1986 sei der Sachverhalt anders gelegen, da dort bei der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung zwar Rechnungsposten aus der Zeit vor Entstehung der Gemeinschaft, aber desselben Kalenderjahres mitberücksichtigt worden seien (es sich also nicht um Altschulden - wie hier - und auch nicht um eine ganz andere Wirtschaftsperiode handelte).
Link zur Entscheidung
( KG Berlin, Beschluss vom 15.04.1992, 24 W 2066/91, ZMR 8/92, 354 = WM 7/92, 388)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Leider wurde in dieser Entscheidung nicht erwähnt, ob es sich bei der Entstehung der Gemeinschaft um eine Teilung nach § 8 oder eine solche nach § 3 WEG handelte. Bei Bauträgerteilung hätte nicht allein auf die förmliche Entstehung der WE-Gemeinschaft abgestellt werden dürfen, sondern u. U. auch auf die vor dieser Zeit entstandene faktische Gemeinschaft (beginnend mit der Übergabe einer ersten fertiggestellten Wohnung an einen Ersterwerber nach verfestigtem dinglichen Erwerbstatbestand). Wurde dies bei Würdigung des Sachverhalts vom KG übersehen oder stellte sich diese Problematik hinsichtlich der Aufzugskosten 1983 gar nicht?
Wäre das Geschäftsjahr einer entstandenen faktischen Gemeinschaft (nach WEG analog) noch nicht abgerechnet, könnte man m. E. durchaus auch noch in späteren Jahren eine solche Abrechnung und Genehmigung (zur Schaffung von Anspruchsgrundlagen) erstellen und "nachholen", ohne dann von "offenen Altschulden"sprechen zu müssen. Dieser neu geprägte Begriff wird vom KG nicht näher definiert; gemeint sind hier wohl noch Kosten, die vor Beginn einer Gemeinschaft ausschließlich vom teilenden Alleineigentümer zu tragen sind und insoweit gar keiner...