Leitsatz
a) Die Frist zur Abrechnung der Betriebskosten gemäß § 556 Abs. 3 S. 2 BGB wird nur dann gewahrt, wenn die Abrechnung dem Mieter noch innerhalb der Frist zugeht; die rechtzeitige Absendung der Abrechnung durch den Vermieter genügt nicht.
b) Bedient sich der Vermieter zur Beförderung der Abrechnung der Post, wird diese insoweit als Erfüllungsgehilfe des Vermieters tätig; in einem solchen Fall hat der Vermieter ein Verschulden der Post gemäß § 278 S. 1 BGB auch dann zu vertreten (§ 556 Abs. 3 S. 3 Halbs. 2 BGB), wenn auf dem Postweg für den Vermieter unerwartete und nicht vorhersehbare Verzögerungen oder Postverluste auftreten.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 278 S. 1, 556 Abs. 3 S. 2 und 3
Kommentar
Der Vermieter hat die Abrechnung über die Betriebskosten des Kalenderjahres 2004 am 21.12.2005 erstellt und am selben Tag zur Post gegeben. Die fragliche Briefsendung ist jedoch dem Mieter nicht zugegangen. Die Ursache hierfür blieb ungeklärt. Der BGH hatte zu klären, ob der Vermieter gleichwohl Anspruch auf Zahlung der Nachforderung (621,71 EUR) hat.
Das wird vom Gericht verneint. Die Entscheidung beruht auf folgenden Erwägungen:
1. Nach § 556 Abs. 3 S. 2 BGB ist die Abrechnung "dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen". Nach Ablauf dieser Frist gehen die Nachforderungsansprüche des Vermieters verloren (§ 556 Abs. 3 S. 3 BGB). In der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 556 Abs. 3 S. 2 BGB ist hierzu ausgeführt, dass die Abrechnung dem Mieter innerhalb der Frist zugehen muss; die rechtzeitige Absendung genügt nicht (BT-Drucks. 14/4553 = NZM 2000, 812). Dem ist die überwiegende instanzgerichtliche Rechtsprechung und Literatur gefolgt (Blank/Börstinghaus, Miete, § 556 BGB Rdn. 141 m. w. N.; a. A.: AG Leipzig, Urteil v. 6.9.2005, 163 C 4723/05, ZMR 2006, 47; Miedtank, ZMR 2005, 205, 207). Der BGH teilt die Auffassung der herrschenden Meinung: Der Gesetzgeber habe seinen Willen eindeutig zum Ausdruck gebracht.
2. Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Vermieter für den rechtzeitigen Zugang der Abrechnung beweispflichtig. Mit der Aufgabe eines Schreibens zur Post kann der Zugang nicht bewiesen werden. Hierin liegt auch kein Anscheinsbeweis für den Zugang. Dies entspricht einer gefestigten Rechtsprechung und gilt für Briefsendungen jeder Art (BGH, Urteil v. 27.5.1957, II ZR 132/56, NJW 1957, 1230 betr. Einschreibesendung; BGH, Urteil v. 24.4.1996, VIII ZR 150/95, NJW 1996, 2033).
3. In § 556 Abs. 3 S. 3 BGB ist ausdrücklich bestimmt, dass die Ausschlussregelung unanwendbar ist, wenn der Vermieter die verspätete Abrechnung nicht zu vertreten hat. Nach allgemeinen Grundsätzen hat der Vermieter das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen zu vertreten. Zum Kreis der Erfüllungsgehilfen zählen alle Personen und Institutionen, deren sich der Vermieter zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit bedient. Wird die Post mit der Übermittlung der Abrechnung beauftragt, so wird sie als Erfüllungsgehilfin des Vermieters behandelt. Für das Verschulden der Post hat der Vermieter demgemäß einzustehen. Der Umstand, dass die Post eine Monopolstellung hat, steht dem nicht entgegen. Ebenso spielt es keine Rolle, dass die Post nicht von den Weisungen des Vermieters abhängt.
4. Nach dem Wortlaut des § 556 Abs. 3 S. 3 BGB ist der Erhalt der Nachzahlungsforderung trotz Überschreitung der Abrechnungsfrist als Ausnahmetatbestand ausgestaltet (... es sei denn ...). Daraus folgt, dass der Vermieter das fehlende Verschulden beweisen muss. Ebenso muss er beweisen, dass den Erfüllungsgehilfen kein Verschulden trifft. Diesen Beweis konnte der Vermieter nicht führen, weil die Umstände der unterbliebenen Zustellung nicht aufgeklärt werden konnten.
5. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass der Vermieter für eine verzögerte oder unterbliebene Postzustellung nicht einzustehen habe. Der Vermieter dürfe darauf vertrauen, dass Briefsendungen innerhalb der üblichen Frist dem Empfänger zugehen (Langenberg in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., § 556 BGB Rdn. 472; Blank/Börstinghaus, § 556 BGB Rdn. 148; Kinne in: Miet- und Mietprozessrecht, § 556 BGB Rdn. 83; Schmid in: MüKomm, § 556 Rdn. 56; Weitemeyer in: Staudinger (2006), § 556 Rdn. 109; Palandt/Weidenkaff, § 556 Rdn. 12 jew. m. w. N.). Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Die herrschende Meinung habe zur Folge, dass es faktisch nur auf die rechtzeitige Absendung einer Abrechnung ankomme, weil der Vermieter die Verzögerung der Postlaufzeit oder einen Verlust einer Briefsendung nicht vorhersehen könne. Dies stehe mit dem Willen des Gesetzgebers nicht im Einklang.
6. Für das gerichtliche Verfahren bestimmt § 233 ZPO, dass der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verlangen kann, wenn der verspätete Eingang eines Schriftsatzes bei Gericht weder von ihm noch von seinem Prozessbevollmächtigten zu vertreten ist. Ein solcher Fall ist auch dann anzunehmen, wenn...