Leitsatz

Das OLG Hamburg hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob und unter welchen Voraussetzungen in Abstammungsverfahren der Mutter gegen den Ehemann dem beteiligten Kind ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist.

 

Sachverhalt

Die Beteiligte zu 1) und der Beteiligte zu 2) waren verheiratet, lebten jedoch bereits seit Oktober 2008 voneinander getrennt. Die Beteiligte zu 1) nahm ein Verhältnis zu dem Beteiligten zu 3) auf. Am 19.7.2009 wurde die Beteiligte zu 4) geboren.

Mit ihrem im Oktober 2009 beim FamG eingegangenen und als Klage gegen die Beteiligten zu 2) und 3) bezeichneten Antrag begehrte die Beteiligte zu 1), der zwischenzeitlich die elterliche Sorge für die Beteiligte zu 4) übertragen worden war, die Feststellung, dass nicht der Beteiligte zu 2), sondern der Beteiligte zu 3) der Vater der Beteiligten zu 4) sei. Diesem Antrag schloss sich der Beteiligte zu 2) an.

Das FamG hat durch Beschluss vom 11.11.2009 für die Beteiligte zu 4) eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis "Vertretung des Kindes in Statusangelegenheiten, Ehelichkeitsanfechtung" eingerichtet und das Jugendamt zum Pfleger bestimmt.

Gegen diesen Beschluss hat das Jugendamt Beschwerde eingelegt und die Auffassung vertreten, einer Ergänzungspflegschaft bedürfe es nach neuem Recht grundsätzlich nicht mehr.

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG wies zunächst darauf hin, dass es sich bei der Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft um eine Kindschaftssache i.S.v. § 159 Nr. 5 FamFG handele, die insoweit eine Endentscheidung darstelle und der Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG unterliege. Das an sich statthafte Rechtsmittel sei jedoch unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung habe das FamG für die Beteiligte zu 4) eine Ergänzungspflegschaft eingerichtet und das Jugendamt zum Pfleger bestellt. Das erstinstanzliche Gericht habe seine Entscheidung auf §§ 629 Abs. 2, S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 3, 1909 gestützt, dieser Auffassung sei zu folgen.

Zwar werde in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beurteilt, in welchen Fällen dem minderjährigen Kind nach Inkrafttreten des FamFG ein Ergänzungspfleger zu bestellen sei. Nach Auffassung des OLG waren die Voraussetzungen für die angeordnete Ergänzungspflegschaft im vorliegenden Fall jedenfalls gegeben.

Die Beteiligte zu 4) könne sich im Abstammungsverfahren weder selbst vertreten, noch durch einen Verfahrensbeistand oder durch die hier allein sorgeberechtigte Mutter vertreten werden.

An der notwendigen gesetzlichen Vertretung ändere sich auch durch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes für die Beteiligte zu 4) nichts. Der Verfahrensbeistand sei ausdrücklich nicht zur gesetzlichen Vertretung des Kindes berechtigt (§ 174 Abs. 2 i.V.m. § 158 Abs. 4 FamFG) und damit auch nicht i.S.v. § 9 Abs. 2 FamFG nach bürgerlichem Recht zur Vertretung befugt.

Die Mutter und der Vater könnten gemäß § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1795 BGB ein Vormund von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen sei. Aus § 1795 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Nr. 1 BGB ergebe sich ein Vertretungsverbot im Falle eines Rechtsstreits zwischen dem Mündel und dem Ehegatten des Vormunds. Auch hier liege ein "Rechtsstreit" vor, in welchem sich die sorgeberechtigte Mutter, ihr Ehemann und das Kind mit jeweils eigenen Interessen gegenüber ständen.

Der Umstand, dass Verfahren in Familiensachen nach dem FamFG nicht als Rechtsstreit zu bezeichnen seien (§ 113 FamFG) und dass das Abstammungsverfahren nicht mehr als kontradiktorischer Prozess nach den Regeln der ZPO ausgestaltet sei, stehe der Anwendung von § 1795 Nr. 1 und 3 BGB nicht entgegen.

Auch wenn es im Abstammungsverfahren keinen Kläger und keinen Beklagten gebe, werde gleichwohl das Verfahren nur auf Antrag eingeleitet und die Entscheidung wirke für und gegen alle.

Die Feststellung der Abstammung sei sowohl für die Rechtsstellung der Elternteile als auch für diejenige des Kindes von elementarer Bedeutung, wobei die Interessenlage der einzelnen Beteiligten durchaus unterschiedlich sein könne.

Es handele sich um eine rechtliche Streitigkeit mit eingeschränkter Amtsermittlung, in welcher das verfahrensmäßige Verhalten der Beteiligten eine nicht unerhebliche Rolle spiele.

Nachdem der Gesetzgeber des FamFG die Beteiligung des Kindes (und der Eltern) im Abstammungsverfahren zwingend vorgeschrieben, die gesetzliche Vertretung durch den Verfahrensbeistand aber ausdrücklich ausgeschlossen habe, führe somit auch nach dieser Auffassung kein Weg daran vorbei, dass zumindest im Regelfall eine Ergänzungspflegschaft eingerichtet werden müsse.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamburg, Beschluss vom 04.06.2010, 12 UF 224/09

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge