Leitsatz

Das Ehescheidungsverfahren war von dem Ehemann mit Scheidungsantrag vom 9.2.2004 eingeleitet worden. Zustellung des Scheidungsantrages an die Ehefrau erfolgte am 20.3.2004. Sie kündigte zunächst ihre Zustimmung an und beantragte sodann ebenfalls die Scheidung. Nachdem Entscheidungsreife in der Ehesache und in der Folgesache Versorgungsausgleich eingetreten war, wurde Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. In diesem wie auch in weiteren Terminen machte die Ehefrau weitere Folgesachen anhängig, so dass die Scheidung zunächst nicht ausgesprochen werden konnte. Erst im Termin am 26.4.2006 wurde über die Ehesache und alle Folgesachen verhandelt. Die Ehe der Parteien wurde durch das erstinstanzliche Urteil vom 10.5.2006 geschieden. Die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind der Parteien wurde geregelt, ferner wurde eine Entscheidung zum Versorgungsausgleich getroffen. Die Verfahren betreffend den nachehelichen Ehegattenunterhalt und den Zugewinnausgleich wurden abgetrennt unter Hinweis darauf, dass die gleichzeitige Entscheidung über diese Folgesachen den Scheidungsausspruch außergewöhnlich verzögern würde und der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesachen eine unzumutbare Härte für den Antragsteller darstelle. Das erstinstanzliche Gericht sah die Voraussetzungen des § 628 Abs. 1 Nr. 4 ZPO als erfüllt, da das Verfahren bereits seit über zwei Jahren rechtshängig sei. Die Prozessführung der Ehefrau führe zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Scheidungsbegehrens des Ehemannes. Das prozessuale Verhalten der Ehefrau stelle eine reine Verzögerungstaktik dar, die der Ehemann nach mehr als zweijähriger Verfahrensdauer nicht länger hinnehmen müsse.

Die Ehefrau wandte sich mit ihrer Berufung in erster Linie gegen die Abtrennung der Folgesachen und erstrebte eine Aufhebung und Zurückverweisung. Im Übrigen regte sie an, das Verfahren an eine andere Abteilung des FamG zu verweisen.

Ihr Rechtsmittel hatte Erfolg.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG hielt die Berufung der Ehefrau für zulässig und auch begründet.

Eine Beschwer der Ehefrau sei gegeben. Durch eine Ehescheidung vor einer Folgesachenentscheidung würden beide Ehegatten beschwert. Beide hätten Anspruch darauf, nur geschieden zu werden, wenn gleichzeitig über die Folgesachen entschieden werde (BGH, FamRZ 1979, 690; BGH v. 2.7.1986 - IVb ZR 54/85, MDR 1987, 40 = FamRZ 1986, 898 (899); Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 628 Rz. 16).

Die Ehefrau wende sich mit ihrer Berufung in erster Linie gegen die Abtrennung der Folgesachen Unterhalt und Zugewinnausgleich und die Vorabentscheidung des Gerichts über den Ehescheidungsantrag und die Folgesachen Versorgungsausgleich und elterliche Sorge und beantrage insoweit lediglich, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das AG zurückzuverweisen.

Zwar werde gewöhnlich im Zivilprozess eine Berufung als unzulässig angesehen, wenn der Berufungsführer ausschließlich beantrage, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Der Berufungsantrag müsse im allgemeinen ein Sachantrag sein, aus dem sich ergebe, welche Änderungen des angefochtenen Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht erstrebt würden. Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn in einer Ehescheidungssache ein Verstoß gegen die im prozessualen Familienrecht geltenden Verbundvorschriften gerügt werde. Die Beseitigung dieser Beschwer könne durch den Prozessantrag auf Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache geschehen (vgl. OLG Zweibrücken v. 12.5.1998 - 5 UF 73/97, OLGReport Zweibrücken 1998, 492 = FamRZ 1998, 1525).

Richte sich die Berufung dagegen, dass die Ehe unter Verstoß gegen § 628 ZPO vor der Entscheidung über eine Folgesache geschieden worden sei, so müsse auch der Scheidungsausspruch angefochten werden. Dies könne ein Ehegatte auch dann tun, wenn er sich nicht gegen die Scheidung als solche wehre, sondern nur erreichen wolle, dass gleichzeitig mit dieser die Folgesachen geregelt würden (BGH v. 8.5.1996 - XII ZR 4/96, FamRZ 1996, 1333; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 629a Rz. 3a). Nach Auffassung des OLG lagen im vorliegenden Fall die Abtrennungsvoraussetzungen des § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO nicht vor.

Gem. § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO könne das Gericht dem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über eine Folgesache stattgeben, soweit die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Außergewöhnlich sei eine Verzögerung nur, wenn die normale Dauer eines Verbundverfahrens gleicher Art bei dem zuständigen FamG überschritten werde. Als Richtpunkt für die gewöhnliche Dauer seien zwei Jahre anzunehmen. Bei längerer Verfahrensdauer sei dies ungewöhnlich. Die Dauer zähle von der Rechtshängigkeit an.

Daneben müsse der Aufschub der Ehescheidung eine unzumutbare Härte darstellen. Die außergewöhnliche Verzögerung bedeute fü...

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