Die in einem Unternehmen tätigen Personen sind aufgrund der in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit in der Wahl ihres Arbeitsplatzes frei. Der Unternehmer hat keinen Anspruch auf den Bestand seiner Mitarbeiter. Das Abwerben von Mitarbeitern eines Konkurrenten ist als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt. Das Abwerben ist insbesondere erlaubt, wenn die Arbeitnehmer zu einer ordentlichen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses veranlasst werden sollen. Ohne das Hinzutreten besonderer Umstände ist auch eine bewusste und planmäßige Abwerbung, die von einem Mitbewerber ausgeht, rechtlich zulässig. Ebenso spielt es keine Rolle, welche Arbeitnehmer (z. B. Spezialisten oder Schlüsselkräfte) abgeworben werden; auch die Zahl der abgeworbenen Arbeitnehmer ist in der Regel unerheblich. Will sich ein Unternehmen vor Abwerbemaßnahmen schützen, so kann es dies durch entsprechende Zugeständnisse gegenüber den Arbeitnehmern oder durch Auferlegung vertraglicher Wettbewerbsverbote tun.
Wird dem Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses untersagt, frühere Kollegen für ein eigenes Unternehmen einzustellen, ist ein solches Einstellungsverbot als Sperrabrede nach § 75f HGB unverbindlich. Das bedeutet, dass ein Einstellungsverbot zwar nicht nichtig, aber rechtlich nicht durchsetzbar wäre.
Schutzbereich von § 75f HGB
§ 75f HGB schließt nicht nur die Klagbarkeit von Einstellungsverboten, sondern auch von Vereinbarungen zwischen Unternehmern aus, keine Arbeitskräfte des Vertragspartners abzuwerben.
Denn § 75f HGB soll es Arbeitgebern erschweren, die Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung bei nachvertraglichen Wettbewerbsklauseln gegenüber Arbeitnehmern zu umgehen, indem ein Abwerbungsverbot mit einem anderen Arbeitgeber vereinbart wird. Auch sollen die §§ 74 ff. HGB den Interessen des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen nach dem Ende des Anstellungsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Unternehmers, sich durch Wettbewerbsverbote vor einer Abwanderung seines Personals zu Konkurrenzunternehmen zu schützen, grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werden. Deshalb fallen auch Vereinbarungen eines Abwerbeverbots zwischen Unternehmern in den Anwendungsbereich von § 75f HGB.
Ausnahmen
Nicht in den Anwendungsbereich des § 75f HGB fallen Vereinbarungen, bei denen das Abwerbeverbot nicht Hauptzweck ist, sondern bei denen es nur eine Nebenbestimmung darstellt, die einem besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden vertragschließenden Seiten Rechnung trägt. Dient ein Abwerbeverbot dem Schutz vor illoyaler Ausnutzung von Erkenntnissen, die im Rahmen solcher Vertragsverhältnisse und ihrer Abwicklung gewonnen worden sind, besteht kein Grund, die gerichtliche Durchsetzbarkeit zu versagen.
Zu dieser Fallgruppe gehören etwa Abwerbeverbote, die bei Risikoprüfungen vor dem Kauf von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen vereinbart werden (sog. Due-Diligence-Prüfungen) und die vom Anwendungsbereich des § 75f HGB auszunehmen sind. Eine vergleichbare Situation kann bei einer Abspaltung von Unternehmensteilen oder Konzerngesellschaften oder bei Vertriebsvereinbarungen zwischen selbstständigen Unternehmen bestehen. Auch in diesen Fallkonstellationen kann die gerichtliche Durchsetzbarkeit von Abwerbeverboten für eine reibungslose Vertragsabwicklung notwendig und eine einschränkende Auslegung des § 75f HGB geboten sein.
Die Abwerbung eines Arbeitnehmers kann aber gegen § 1 UWG, § 823 Abs. 1 BGB und § 826 BGB verstoßen und zum Schadensersatz verpflichten. Darüber hinaus kann dem geschädigten Arbeitgeber gegen den schädigenden Arbeitgeber ein Anspruch auf Unterlassung der Beschäftigung des abgeworbenen Arbeitnehmers zustehen, solange dieser dem geschädigten Arbeitgeber noch zur Arbeitsleistung verpflichtet ist.
Zum Wesen der Abwerbung gehört, dass auf Arbeitnehmer mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Beharrlichkeit eingewirkt wird, ihr Arbeitsverhältnis aufzugeben und sich dem Abwerbenden oder einem anderen zur Erreichung wirtschaftlicher Ziele zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung von § 1 UWG ist einmal ein Handeln im Geschäftsverkehr zu Zwecken des Wettbewerbs. Das ist bei Abwerbung von Arbeitskräften regelmäßig auch dann gegeben, wenn Unternehmer verschiedener Wirtschaftszweige und Handelsstufen abwerben, weil sie am Arbeitsmarkt Wettbewerber sind. Zum anderen erfordert § 1 UWG ebenso wie § 826 BGB, der zudem eine vorsätzliche Schadenszufügung verlangt, einen Verstoß gegen die guten Sitten. Gegen die guten Sitten verstößt, was dem Anstandsgefühl des verständigen und anständigen Durchschnittsgewerbetreibenden zuwiderläuft. Auf ein Verschulden kommt es nicht an.
Besonderheiten im bestehenden Arbeitsverhältnis
Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist Arbeitnehmern ein aktives Abwerben von anderen Arbeitnehmern verboten. Eine unzulässige Abwerbung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer ernsthaft und beharrlich auf Kollege...