Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 10 WEG, § 16 Abs. 2 WEG, § 876 BGB, § 877 BGB
Kommentar
Wird die Gemeinschaftsordnung aufgrund vereinbarter Zulässigkeitsklausel durch Mehrheitsbeschluss (hier: Zustimmung der Miteigentümer mit qualifizierter 3/4-Mehrheit; Änderung des Kostenverteilungsschlüssels) geändert, so ist der Beschluss nicht deshalb für ungültig zu erklären, weil ein benachteiligter Grundpfandrechtsgläubiger nicht zugestimmt hat.
Nach § 10 Abs. 2 WEG wirken Änderungsvereinbarungen gegenüber einem Sondernachfolger eines Eigentümers nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind; Änderungen des Inhalts eines Sondereigentums bedürfen analog der §§ 876 u. 877 BGB der Zustimmung von Grundpfandrechtsgläubigern, wenn Änderungen für sie rechtlich nachteilig sind (BGH, NJW 1984, 2409), wie z. B. auch bei einer größeren Beteiligung an den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums, welche die Verwertbarkeit des belasteten Eigentums mindert (BayObLG Z 1984, 257). Eine im Grundbuch nicht eingetragene Änderungsvereinbarung wirkt nur schuldrechtlich unter den Beteiligten der Vereinbarung und nicht gegenüber einem ihrer Rechtsnachfolger und ändert damit auch nicht den Inhalt des Sondereigentums, sodass eine solche Vereinbarung keiner Zustimmung der Grundpfandgläubiger bedarf; sie wirkt auch nicht gegenüber einem Sondernachfolger und beeinträchtigt daher auch nicht die Verwertbarkeit des Wohnungseigentums für das Grundpfandrecht. Das Erfordernis der Gläubigerzustimmung kann bei einem Mehrheitsbeschluss keine weitergehende Bedeutung haben als bei einer Vereinbarung. Unter Wohnungseigentümern, die zur Zeit der Beschlussfassung Wohnungseigentümer waren, muss ein Beschluss genauso wirken wie eine nicht eingetragene Vereinbarung, der Grundpfandrechtsgläubiger nicht zugestimmt haben.
Link zur Entscheidung
( LG Lübeck, Beschluss vom 08.02.1990, 7 T 678/88= NJW-RR 1990, 912)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung
Anmerkung:
Eine sicher im Ergebnis richtige Entscheidung, da andernfalls viele Eigentümerbeschlüsse [als sog. Zitterbeschlüsse] bei zulässigen Änderungen von Gemeinschaftsordnungen (BGH, NJW 85, 2832) nicht möglich wären bzw. am Zustimmungserfordernis von Pfandgläubigern scheitern könnten. Wenn auch bestandskräftige (Mehrheits-)Beschlüsse nach § 10 Abs. 3 WEG - auch ohne Eintragung im Grundbuch - grundsätzlich für und gegen Rechtsnachfolger wirken (m. E. also nicht nur schuldrechtliche Wirkung von Beschlüssen zwischen den Beschließenden als Beteiligten!), haben vorliegend eben auch Pfandgläubiger in Kenntnis der speziellen Gemeinschaftsordnung (mit vereinbarter Änderungsmöglichkeit) dieser Gemeinschaftsordnung bei Beleihung zugestimmt, sodass sie auch mit rechtlich begründeten (und evtl. sogar gerichtlich als gültig bestätigten) Änderungen durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss rechnen mussten, ohne sich auf rechtliche Beeinträchtigung ihrer Pfandobjekte berufen zu können. Nur mit dieser Begründung ist m. E. das Entscheidungsergebnis zu rechtfertigen.