Leitsatz

  • Erleichterte Abänderbarkeit kraft Vereinbarung auch hinsichtlich der Zweckbestimmung eines Wohnungs- oder Teileigentums

    Arztpraxis in Büro-Teileigentum

    Kein Bistro in "Laden"

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 WEG, § 15 Abs. 1 WEG

 

Kommentar

1. Sieht die Gemeinschaftsordnung ihre Abänderbarkeit durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss (hier: Mehrheit von 2/3 aller Stimmen) vor, so kann ein entsprechend qualifizierter Eigentümerbeschluss, durch den eine Gebrauchsregelung geändert wird, nicht mit der Begründung für ungültig erklärt werden, ein Wohnungseigentümer habe durch eine Nutzung entsprechend bisheriger Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung eine gesicherte Rechtsposition erlangt, die ihm erhalten bleiben müsse; vielmehr ist eine Änderung möglich, sofern sachliche Gründe vorliegen und kein Wohnungseigentümer unbillig benachteiligt wird (so die Einschränkung durch den BGH in BGHZ 95, 137/142).

Im vorliegenden Fall ging es um die mit entsprechender qualifizierter Mehrheit beschlossene Untersagung der Führung einer Arztpraxis in zwei Teileigentumseinheiten im 1. OG eines Anwesens, die in der Teilungserklärung als Büroräume bezeichnet waren, hinsichtlich der jedoch in der Gemeinschaftsordnung weiter vereinbart war, dass sie als Arztpraxis genutzt werden könnten. Nach Meinung des Senats liege es auf der Hand, dass der Eigentümer dieser zu Praxiszwecken vermieteten Einheiten durch eine solche Änderung der Benutzungsregelung (Verbot künftiger Praxisnutzung) unbillig benachteiligt sei.

2. Sieht eine Gemeinschaftsordnungsvereinbarung also die grundsätzliche Abänderbarkeit (wie hier) durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss vor, so ergibt in richtiger Auslegung die nächstliegende Bedeutung, dass sich die erleichterte Abänderbarkeit (mit den nach BGH festgeschriebenen Einschränkungen) auch auf die Zweckbestimmung eines Wohnungs- oder Teileigentums mit Vereinbarungscharakter in der Teilungserklärung oder dem Teilungsvertrag selbst erstreckt.

Ist hier im EG ein Teileigentum als "Laden" bezeichnet und wird darin eine Imbissstube (Bistro) geführt, so ist auf Anfechtung eines Eigentümers hin ein entsprechender Gestattungsbeschluss (selbst mit der erforderlichen qualifizierten Mehrheit) für ungültig zu erklären, da durch eine solche vereinbarungswidrige Nutzung eines Ladens nach ständiger Rechtsprechung des Senats von unbilliger Benachteiligung anderer Eigentümer auszugehen ist (verlängerte Öffnungszeiten, länger andauernde Lärmbelästigung).

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 11.04.1990, BReg 2 Z 23/90= BayObLG Z 1990 Nr. 25 = NJW-RR 16/90, 978)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

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