Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitreibung der Geldbuße als Grund für die Qualifizierung einer Anordnung von Erzwingungshaft als eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung
Normenkette
InsO § 39 Abs. 1 Nr. 3, § 89 Abs. 1; OWiG § 96; StGB § 43 Abs. 1; StPO § 459c Abs. 2, § 459e Abs. 2
Tenor
Der Antrag des Kreises Stormarn auf Anordnung der Erzwingungshaft gegen den Betroffenen vom 25.11.2010 wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Gegen den Betroffenen wurde vom Kreis Stormarn am 18.03.2010 ein Bußgeld in Höhe von 160,-- Euro festgesetzt. Der Bescheid wurde dem Betroffenen über seinen Rechtsanwalt am 22.03.2010 zugestellt. Der hiergegen zunächst fristgerecht eingelegte Einspruch wurde in der Folge zurückgenommen. Der Bescheid wurde am 12.08.2010 rechtskräftig. Der Betroffene zahlte die Geldbuße nicht. Über das Vermögen des Betroffenen wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Reinbek vom 05.10.2010 (Az. 8 IN 239/10) das Insolvenzverfahren eröffnet.
Entscheidungsgründe
II.
Der Anordnung von Erzwingungshaft gegen den Betroffenen steht § 89 Abs. 1 InsO entgegen. Hiernach sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. Über das Vermögen des Betroffenen wurde vorliegend das Insolvenzverfahren eröffnet. Die gegen ihn verhängte Geldbuße ist eine nachrangige Insolvenzforderung nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Nach Auffassung des Gerichts ist die Anordnung von Erzwingungshaft eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung. Dies ergibt sich bereits aus der Stellung der Norm im neunten Abschnitt des Ordnungswidrigkeitengesetzes, der die Überschrift „Vollstreckung der Bußgeldentscheidungen” trägt. Der Charakter als Maßnahme der Zwangsvollstreckung ergibt sich auch aus dem Zweck des § 96 OWiG. Dieser besteht darin, die Pflicht zur Zahlung der Geldbuße gegen einen zahlungsunwilligen Betroffenen zu erzwingen (vgl. Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 15. Auflage, § 96 Rn. 1). Dass die Norm dem Betroffenen die Möglichkeit belässt, seine Zahlungsunfähigkeit darzulegen und damit die Anordnung von Erzwingungshaft abzuwenden, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Zwar mag es sein, dass § 96 OWiG ebenfalls dem Zweck dient, den Betroffenen dazu anzuhalten, ggf. seine Zahlungsunfähigkeit glaubhaft zu machen. Primärer Zweck ist jedoch die Beitreibung der Geldbuße. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des Gesetzes. Hiernach wird Erzwingungshaft dann angeordnet, wenn der Betroffene seine Zahlungsunfähigkeit nicht dargetan hat und keine Umstände bekannt sind, welche seine Zahlungsunfähigkeit ergeben. Die Zahlungsunfähigkeit ist damit ein negatives Tatbestandsmerkmal. Dies spricht dafür, dass der ausgeübte Zwang sich nur nachrangig auf eine Mitwirkungshandlung des Betroffenen hinsichtlich der Darlegung seiner Zahlungsunfähigkeit beziehen kann. Die von der Gegenauffassung vertretene Meinung, die Erzwingungshaft sei ein Beugemittel, teilt das Gericht ausdrücklich. Allerdings steht dies der Einordnung der Maßnahme nach § 96 OwiG als solche der Zwangsvollstreckung nicht entgegen. Die Begriffe schließen sich nicht aus. So ist z.B. die Verhängung von Zwangsgeld oder -haft nach § 888 ZPO zweifellos ein Beugemittel und eine – wenn auch nicht auf die Vollstreckung von Geldforderungen bezogene – Maßnahme der Zwangsvollstreckung.
Das vom Kreis unter Berufung auf eine Entscheidung des Landgerichts Neuruppin vorgebrachte Argument, der Schuldner könne über die zwischen dem Existenzminimum und den pfändungsfreien Beträgen verbleibenden Teile der Einkünfte frei verfügen, da diese nicht zur Insolvenzmasse gehörten, überzeugt das Gericht nicht. Denn § 89 Abs. 1 InsO verbietet gerade auch Zwangsvollstreckungen in das sonstige Vermögen des Schuldners, das nicht zur Insolvenzmasse gehört. So mag eine freiwillige Zahlung des Betroffenen aus seinem pfändungsfreien Vermögen ohne weiteres möglich sein, erzwungen werden kann sie allerdings nach dem Vorgesagten gerade nicht.
In der Annahme, die Anordnung von Erzwingungshaft im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Betroffenen sei zulässig, liegt überdies ein Verstoß gegen die gesetzgeberische Wertung des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Hiernach ist eine Geldbuße eine nachrangige Insolvenzforderung. Diese ausdrücklich gewollte Nachrangigkeit der Geldbuße im Insolvenzverfahren würde unterlaufen, wenn man dem Staat erlaube, seine Forderung im Wege des § 96 OWiG durchzusetzen und den Betroffenen dabei sogar auf sein nicht zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen verweisen würde. Den übrigen Gläubigern ist für die Dauer des Insolvenzverfahrens nämlich jede Zwangsvollstreckungshandlung untersagt. In der Konsequenz der vom Kreis vertretenen Auffassung würde der Staatskasse die Möglichkeit eröffnet, ihre Forderungen vorrangig vor sämtlichen anderen Gläubigern durchzusetzen. Selbst wenn man § 96 OWiG entgegen der obigen Ausführungen nicht als Maßnahme der Zwangsvollstreckung betrachten sollte, ist nicht von d...