Leitsatz (amtlich)
Zur Schätzung nach § 813 Absatz 1 Satz 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher einen Sachverständigen nur in den Fällen des § 813 Absatz 1 Satz 2, Absatz 3 und Absatz 4 ZPO hinzuziehen.
Tenor
Die Erinnerung der Gläubigerin vom 28.02.2012 gegen die Vorschussanforderung in Höhe von 1.500 € wird zurückgewiesen.
Gründe
Mit Schreiben vom 19.01.2012 beantragte die Gläubigerin aufgrund Vollstreckungsbescheides des AG Stuttgart vom 23.09.2011, beim Schuldner den PKW Fiat Ducato, das FFS-Gerät und den Pc zu pfänden. Mit Verfügung vom 01.02.2012 forderte der Gerichtsvollzieher einen Kostenvorschuss von 1.500 €.
Hiergegen hat die Gläubigerin mit Schreiben vom 28.02.2012 Erinnerung eingelegt. Er ist nur zu einem Vorschuss von 500 € bereit (vgl. Schreiben vom 20.03.2012). Dies sei der Betrag, den andere Gerichtsvollzieher ansetzen. Zu diesem Wert sei die Gläubigerin bereit, das Fahrzeug zu übernehmen, und hat deswegen schon einen Antrag auf anderweitige Befriedigung nach § 825 Absatz 1 ZPO gestellt. Der Bezirksrevisor hat mit Schreiben vom 08.05.2012 ausführlich Stellung genommen und beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.
Die Vollstreckungserinnerung ist nach § 5 Absatz 3 und 2 GvKostG i.V.m. § 766 Absatz 2 Alternative 3 ZPO zulässig (hierzu Winterstein GvKostG - Kommentar Teil 2 § 4 Ziffer 7 und § 5 Ziffer 1).
Die Vollstreckungserinnerung ist indes als unbegründet zurückzuweisen, weil die Höhe der Vorschussanforderung von 1.500 € nicht zu beanstanden ist.
Nach § 4 Abs. 1 S. 4 GvKostG ist der Auftraggeber zur Zahlung eines Vorschusses verpflichtet, der die voraussichtlich entstehenden Kosten (Gebühren und Auslagen) deckt (AG Straußberg DGVZ 2010, 238-239).
Die Angemessenheit der Höhe des Vorschusses bestimmt der Gerichtsvollzieher und nicht die Gläubigerin nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein nichtverbrauchter Vorschuss ohnehin auszukehren ist und der Gerichtsvollzieher einerseits für die bei Dritten angefallenen Kosten haftet, andererseits aber nicht in Vorleistung zu gehen hat (vgl. Winterstein Gerichtsvollzieherkostengesetz Kommentar § 4 GvKostG Ziffer 3).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Höhe der Vorschussanforderung nicht zu beanstanden.
(1)
Allerdings dürfen bei der Berechnung der Höhe des Vorschusses keine Sachverständigenkosten berücksichtigt werden, wie dies der Gerichtsvollzieher in seinem Schreiben vom 05.03.2012 und der Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme vom 08.05.2012 annehmen.
Der Gerichtsvollzieher ist zwar zur Schätzung nach § 813 Absatz 1 Satz 1 ZPO (siehe auch § 132 Nr. 8 Satz 1 GVGA) verpflichtet, aber grundsätzlich nicht berechtigt und verpflichtet, einen Sachverständigen hinzuziehen. Ausdrücklich geregelte Ausnahmefälle sind nur die Schätzung von Kostbarkeiten (§ 813 Absatz 1 Satz 2 ZPO; § 132 Nr. 8 Satz 3 GVGA) sowie unter bestimmten Voraussetzung die Pfändung bei Personen, die Landwirtschaft betreiben (§ 813 Absatz 3 und 4 ZPO sowie §§ 150 Nr. 1 und 2 sowie 152 Nr. 3 GVGA). Ob darüber hinaus auch bei Einverständnis der Beteiligten ein Sachverständiger vom Gerichtsvollzieher hinzugezogen werden kann (siehe LG Konstanz DGVZ 1994, 140 und Paschold DGVZ 1995, 52), bedarf vorliegend keiner Erörterung.
Jedenfalls kann der Gerichtsvollzieher bei fehlendem Einverständnis der Beteiligten abgesehen von den genannten Ausnahmefällen keinen Sachverständigen mit der Schätzung beauftragen, also insoweit keinen Vorschuss verlangen (Zöller 29. Auflage § 813 ZPO RdNr. 3; a.A. z.B. KG NJW-RR 1986, 201 und weitere Nachweise bei Schultes DGVZ 1994, 163 Fn 34).
Ein solches Beauftragungsrecht sehen weder § 813 ZPO noch die GVGA vor (siehe Zöller 29. Auflage § 813 ZPO RdNr. 3).
Im Gegenteil folgt aus dem Wortlaut des § 813 ZPO, dass es sich um eine abschließende Regelung handelt, wenn dort in Absatz 4 eine ausdrückliche Ermächtigung für die Landesjustizverwaltungen enthalten ist, in anderen Fällen (gemeint sind die Fälle des § 813 Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 ZPO) die Hinzuziehung eines Sachverständigen vorzusehen.
Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 813 ZPO ergibt sich nichts anderes (Schultes DGVZ 1994, 161). Zwar gab es früher die sog. Mindestgebotsverordnung von 1914, wo u.a. in § 1 Absatz 2 Satz 4 stand "In anderen Fällen kann der Gerichtsvollzieher einen Sachverständigen mit der Schätzung beauftragen". Indes steht nicht fest, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 813 ZPO durch das Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiet der Zwangsvollstreckung vom 20.08.1953 versehentlich diese Passage der Mindestgebotsverordnung nicht übernommen hat. So wollte er, wie sich aus der Begründung zum Entwurf 1952 ergibt, nur den wesentlichen Inhalt Mindestgebietsverordnung übernehmen (Schultes DGVZ 1994, 163). Darüber hinaus wurde ein Entwurf einer Geschäftsanweisung, der vorsah, dass der Gerichtsvollzieher auch in anderen Fällen einen Sachverständigen mit der Schätzung beauftragen konnte, nicht umgesetzt (Sebode DGVZ 1953,153,156 sowie DGVZ 1956, 6/7). Im Übrigen weis...