Leitsatz (amtlich)
1. Die Exekutionssperre des § 206 Absatz 1 österreichische Insolvenzordnung (IO) während des sog. Abschöpfungsverfahrens ist bei einer Zwangsvollstreckung eines Insolvenzgläubigers in Deutschland nach Art 4 Absatz 2 Satz 2 lit. k EuInsVO (Verordnung Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.05.2000) zu beachten.
2. Die Exekutionssperre nach § 206 Absatz 1 österreichische IO verbietet einem Insolvenzgläubiger die Einzelzwangsvollstreckung in das insolvenzfreie Vermögen.
3. Das Vollstreckungsgericht darf nur die formelle, aber nicht die materiellrechtliche Wirksamkeit der Vollmacht eines Vertreters, der eine notarielle Unterwerfungserklärung nach § 794 Absatz 1 Nr. 5 ZPO abgegeben hat, prüfen.
Tenor
1.
Auf die Erinnerung der Drittschuldnerin vom 04.11.2011, eingegangen am 07.11.2011 gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 24.10.2011 wird dieser aufgehoben.
2.
Die Wirksamkeit von Ziffer 1 wird bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung hinausgeschoben.
3.
Bis zur endgültigen Entscheidung über die Erinnerung der Drittschuldnerin wird die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 24.10.2011 einstweilen eingestellt.
4.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Gläubigerin.
Gründe
Mit Beschluss vom 21.02.2011 eröffnete das Bezirksgericht Zell am See in Österreich das Schuldenregulierungsverfahren gegen den Schuldner (80 S 6/11). Mit Beschluss vom 29.03.2011 wurde dem Schuldner die Eigenverwaltung entzogen und ein Masseverwalter bestellt. Die Gläubigerin ist Insolvenzgläubigerin und meldete ihre Forderung an. Mit Beschluss vom 11.07.2011 wurde gemäß § 119 Absatz 5 österr. IO die Forderung des Schuldners gegen die Drittschuldnerin in Höhe von ca. 97.256,89 EUR ausgeschieden. Am 01.09.2011 wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet und mit Beschluss vom 19.09.2011 das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben.
Am 24.10.2011 erließ das Vollstreckungsgericht Augsburg aufgrund der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde vom 17.11.2004 (UR-Nr. 2008/2004 K), in welcher der Schuldner in Form eines abstrakten Schuldversprechens in Höhe des Nennbetrages der Grundschuld, nämlich 155.000 EUR die persönliche Haftung übernahm und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwarf, einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss.
Mit Schreiben vom 04.11.2011 hat die Drittschuldnerin Erinnerung eingelegt, weil ein Vollstreckungsverbot bestehe und der Vollstreckungstitel unwirksam sei. Die Gläubigerin ist hierzu angehört worden. Das Bezirksgericht Zell am See ist zum österreichischen Recht befragt worden.
Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung mit Beschluss vom 13.02.2012 nicht abgeholfen.
Die Erinnerung ist nach § 766 Absatz 1 Satz 1 ZPO zulässig. Die Drittschuldnerin ist wie der Schuldner erinnerungsbefugt (Zöller 27. Auflage § 766 ZPO RdNr. 16, Stöber Forderungspfändung 14. Auflage RdNr. 748). Sie ist auch begründet, weil der Zwangsvollstreckung § 206 Absatz 1 österreichische Insolvenzordnung (= IO) entgegensteht.
Die Anwendbarkeit von § 206 Absatz 1 österreichische IO ergibt sich aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EG 2000 Nr. 1 160 S. 1) in der zuletzt durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 210/2010 des Rates vom 25. Februar 2010 (ABl. EU 2010 Nr. 1 65, S. 1) geänderten Fassung (EuInsVO). Mit dem Inkrafttreten der EuInsVO sind deren Regelungen im Verhältnis der Mitgliedsstaaten der EU untereinander an die Stelle solcher Übereinkünfte getreten, die zuvor zwischen zwei oder mehreren Mitgliedsstaaten oder den Rechtsvorgängen geschlossen wurden. Dies gilt insbesondere für den deutsch-österreichischen Konkursvertrag vom 25.5.1979 (Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet des Konkurs- und Ausgleichs- (Vergleichs)rechts, BGBl. II 1985, 233), der in Art. 44 Abs. 1 lit. d EuInsVO ausdrücklich als durch die Verordnung ersetzt genannt wird. Die EuInsVO geht in ihrem Anwendungsbereich den Vorschriften des in §§ 335 ff. InsO geregelten deutschen Internationalen Insolvenzrechts vor (vgl. BGH NZI 2011, 420 m.w.N. zur Zwangsversteigerung).
Der räumliche Anwendungsbereich der Verordnung ist eröffnet (vgl. ihren 32. Erwägungsgrund). Auch die sachlichen Anwendungsvoraussetzungen gemäß Art. 1 Abs. 1 EuInsVO sind gegeben. Bei dem über das Vermögen des Schuldners am eröffneten Schuldenregulierungsverfahren handelt es sich um eines der in Art. 2 Buchstabe a EuInsVO i.V.m. Anhang A der Verordnung genanntes Insolvenzverfahren (siehe Überschrift vor § 181 österreichische IO sowie Überschrift vor § 1 österreichische IO, wo Schuldenregulierungsverfahren als Insolvenzverfahren und dieses wiederum als Konkursverfahren bezeichnet werden). Aufgrund der Sonderanknüpfung nach Art 4 Absatz 2 Satz 2 lit. k EuInsVO richtet sich ein insolvenzrechtliches Vollstreckungsverbot nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nach dem Insolvenzstatut, also hier österreichischem In...