Leitsatz (amtlich)
1. Haben den Eigentümern bei der Beschlussfassung über die Verabschiedung einer Gesamtjahresabrechnungen die von dem Verwalter für die jeweiligen Eigentümer erstellten Einzelabrechnungen vorgelegen, ist auch dann davon auszugehen, dass die Eigentümer nicht ausschließlich über die Gesamtjahresabrechnung, sondern auch über die Einzelabrechnungen abgestimmt haben, wenn dies aus dem über die Versammlung erstellten Protokoll nicht ausdrücklich hervorgeht.
2. Sind die den Eigentümern erteilten Abrechnungen Gegenstand einer Beschlussfassung über die Verabschiedung einer Gesamtjahresabrechnung, ist auf die Rüge eines Eigentümers hin zu prüfen, ob dieser zu Recht mit den in der Einzelabrechnung aufgeführten Beträgen belastet worden ist; dies ist nicht der Fall, wenn aus der Instandhaltungsrücklage Beträge zur Begleichung von Rechtsanwaltskosten entnommenen worden sind, ohne dass dies einer gerichtlichen Kostenentscheidung entspricht (HansOLG Hamburg, Beschl. v. 11.04.2007 - 2 Wx 2/07, ZMR 2007, 550, [...] Rn. 36-38).
3. Weist eine Gesamtjahresabrechnung Mängel auf, die auch in ihrer Gesamtheit die Abrechnung nicht als unbrauchbar erscheinen lassen, führt dies nicht dazu, dass der Beschluss über die Verabschiedung der Jahresabrechnung für ungültig zu erklären ist, vielmehr besteht in einem solchen Fall lediglich ein Ergänzungsanspruch (BayObLG, Beschl. v. 17.09.2003 - 2Z BR 150/03, ZMR 2004, 50, 51). Besteht ein Ergänzungsanspruch und wird die Entlastung des Verwalters beschlossen, ist dieser Beschluss für unwirksam zu erklären.
4. Enthält eine Jahresgesamtabrechnung nicht tatsächliche Kontostände, sondern Sollkontostände, ist die Abrechnung nicht nur unvollständig, sondern inhaltlich unrichtig, weshalb der Beschluss für ungültig zu erklären ist und nicht lediglich ein Anspruch auf Ergänzung der Abrechnung besteht (Fortführung von BGH, Urt. v. 04.12.2009 - V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 ff., [...] Rn. 18).
5. Weil spezialgesetzliche Bestimmungen für die Aufbewahrung von Verwaltungsunterlagen einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht existieren, sind die handels- und steuerrechtlichen Vorschriften über die Aufbewahrungsfristen (§§ 257 HGB, 147 AO) analog heranzuziehen; ermächtigt ein Beschluss einer Wohnungseigentümerversammlung seinem Wortlaut nach den Verwalter, "alte" Verwaltungsunterlagen zu vernichten und wird eine Aufbewahrungsfrist lediglich für Bankbelege (10 Jahre) und sonstige Unterlagen (6 Jahre) beschlossen, ist ein solcher Beschluss nichtig (OLG München, Beschl. v. 20.03.2008 - 34 Wx 46/07, NJW-RR 2008, 1182, [...] Rn. 59).
6. Hinsichtlich der Beschlussfassung über eine Verlängerung des Verwaltervertrages besteht für den Verwalter, dem Eigentümer eine Vollmacht zur Stimmabgabe erteilt haben, kein Stimmrechtsausschluss gemäß § 25 Abs. 5 WEG.
7. Bei einer Klage auf Ungültigkeitklärung eines Beschlusses über die Verabschiedung einer Gesamtjahresabrechnung ist zur Bestimmung des Gesamtinteresses gemäß § 49a Satz 1 GKG ein Betrag in Höhe von 10% der in der Jahresabrechnung ausgewiesenen Kosten zugrunde zu legen. Zur Bestimmung des Einzelinteresses gemäß § 49a Satz 2 GKG ist ein Betrag in Höhe von 20% des Wertes der Einzelabrechnung zugrunde zu legen.
8. Bei einer Klage auf Ungültigkeitklärung eines Beschlusses über die Entlastung des Verwalters ist zur Bestimmung des Einzelinteresses gemäß § 49a Satz 2 GKG ein Betrag in Höhe von 1000,00 EUR zugrunde zu legen (BGH, Beschl. v. 31.03.2011 - V ZB 236/10, NJW-RR 2011, 1026 f., [...] Rn. 12).
9. Bei einer Klage auf Ungültigkeitklärung eines Beschlusses über die Verlängerung eines Verwaltervertrages ist zur Bestimmung des Gesamtinteresses gemäß § 49a Satz 1 GKG die Verwaltervergütung für die gesamte Bestellungszeit zugrunde zu legen. Wie das Einzelinteresse gemäß § 49a Satz 2 GKG zu bestimmen ist, bleibt offen, wenn das Gesamtinteresse jedenfalls weder das Einzelinteresse unterschreitet, noch den fünffachen Wert des Einzelinteresses überschreitet.
Normenkette
GKG § 49a Sätze 1-2; WEG § 25 Abs. 5; HGB § 257; AO § 147; BGB § 171
Tenor
Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft A..., vom 01.06.2010 zu TOP 3, die Jahresabrechnung 2009 zu verabschieden, wird für ungültig erklärt.
Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft A..., vom 01.06.2010 zu TOP 4, den Verwalter für das Wirtschaftsjahr 2009 zu entlasten, wird für ungültig erklärt.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft A..., vom 01.06.2010 zu TOP 9, die Verwaltungsunterlagen in den genannten Fristen von 10 bzw. 6 Jahren vernichten zu dürfen, ungültig ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der je...