Leitsatz (amtlich)
1. Der Betreiber einer Tankstelle kann, wenn die Zufahrt zu seiner Tankstelle für 13,5 stunden infolge eines Verkehrsunfalls gesperrt wird, von dem Unfallverursacher Ersatz eines reinen Vermögensschadens grundsätzlich weder wegen der Verletzung des berechtigten Besitzes noch eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB verlangen.
2. Der berechtigte Besitz des Pächters einer Tankstelle stellt ein "sonstiges Recht" i.S. des § 823 Abs. 1 BGB dar. Der berechtigte Besitz ist jedoch nur dann verletzt, wenn die Beeinträchtigung ihrer Dauer und Intensität nach als eine Verletzung des Eigentums angesehen werden kann (BGH, Urt. v. 11.01.2005 - VI ZR 34/04, NJW-RR 2005, 673, [...] Rn. 12, 16).
3. Bei der Auslegung des Begriffs "Dauer" und "Intensität" ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Dabei kann maßgeblich sein, welchen Umfang der bei dem Geschädigten eingetretene Vermögensschaden hat und ob sich für den Geschädigten hierdurch ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat.
4. Kommt es im Bereich einer Zufahrt zu einer Tankstelle zu einem Verkehrsunfall, ist der berechtigte Besitz des Betreibers nur dann verletzt, wenn die Beeinträchtigung ein solches Ausmaß erreicht, dass sie nicht mehr als sozialüblich und den besonderen Gefahren, die sich mit dem schädigenden Ereignis verwirklicht haben, immanent angesehen werden kann.
5. Schäden, die dem Betreiber einer Tankstelle infolge eines Verkehrsunfalls an seinem Eigentum entstanden sind (hier: infolge des Unfalls ungenießbar gewordene und anschließend entsorgte Fast-Food-Artikel und Kaffee), sind von dem Unfallverursacher zu erstatten (vgl. BGH, Urt. v. 04.02.1964 - VI ZR 25/63, BGHZ 41, 123 ff.).
Normenkette
BGB § 187 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 823 Abs. 1-2, § 826; StVG § 7 Abs. 1; ZPO § 251a Abs. 2, §§ 331a, 367
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 107,45 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 87,95 € seit dem 10.07.2010 sowie auf einen weiteren Betrag in Höhe von 19,50 € der Beklagte zu 1) seit dem 05.05.2011 und die Beklagte zu 2) seit dem 06.05.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 1.223,26 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von den Beklagten die Zahlung von Schadensersatz wegen eines Schadens, der ihm infolge eines Verkehrsunfalls bei dem Betrieb einer Tankstelle entstanden ist.
Der Kläger ist Pächter einer Tankstelle an der BAB ... in ... Die Tankstelle ist von der BAB ... aus in Fahrtrichtung ... über eine Zufahrt zu erreichen.
Am 24.11.2009 befuhr der Beklagte zu 1) mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw der Marke Audi A4 mit dem amtlichen Kennzeichen ... die BAB ... in Richtung .... Im Bereich der Zufahrt zu der Tankstelle fuhr der Beklagte zu 1) gegen 09.45 Uhr mit dem von ihm geführten Pkw auf ein vor ihm fahrendes Kraftfahrzeug der Marke Daimler Chrysler Vito mit dem amtlichen Kennzeichen ... ungebremst auf. Das Kraftfahrzeug der Marke Daimler Chrysler Vito schleuderte seitlich gegen einen Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen .... In der Folgezeit lief Kraftstoff aus, der beseitigt wurde. Die von dem Kläger gepachtete Tankstelle konnte bis um 23.30 Uhr von der BAB ... aus nicht erreicht werden. Die Parteien streiten darum, ob und in welchem Umfang die Beklagten dem Kläger aufgrund dieses Unfallereignisses zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sind.
Mit Schreiben vom 25.06.2010 forderte der Kläger die Beklagte zu 2) unter Setzung einer Frist bis zum 09.07.2010 vergeblich zur Zahlung eines entgangenen Gewinns in Höhe von 998,82 €, eines Schadens wegen der Entsorgung von Fast-Food-Artikeln und Kaffee in Höhe von 124,43 € sowie einer Kostenpauschale in Höhe von 100,00 €, insgesamt also 1.223,26 €, auf. Wegen der Einzelheiten über den Inhalt des Schreibens vom 25.06.2010 wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Anlage K 2, Bl. 7-8 d.A.).
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Darüber hinaus begehrt er die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 0,65-Geschäftsgebühr zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 88,25 €. Die Klagschrift ist dem Beklagten zu 1) am 04.05.2011 und der Beklagten zu 2) am 05.05.2011 zugestellt worden.
Der Kläger behauptet, der Unfall habe sich sowohl auf der Zufahrt zu dem Tankstellengelände als auch auf diesem selbst ereignet. Er behauptet, infolge der Nichterreic...