Leitsatz (amtlich)
1. Einem Gewerbetreibenden stehen Schadensersatzansprüche wegen erlittener Gewinneinbußen infolge der Durchführung von Bauarbeiten an einem benachbarten Parkplatzgelände nicht zu, wenn sich die bei der Durchführung der Bauarbeiten entstehende Lärm- und Staubentwicklung nach dem Stand der Technik nicht vermeiden lässt.
2. Aus dem Rechtsinstitut des sog. nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses lassen sich eigenständige, über die im Gesetz geregelten Tatbestände - insbesondere § 906 BGB - hinausgehende Ansprüche nicht herleiten.
3. Der Gewerbetreibende kann infolge der Durchführung von Bauarbeiten an einem benachbarten Parkplatzgelände in seinem berechtigten Besitz als "sonstiges Recht" i.S. des § 823 Abs. 1 BGB verletzt sein. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Beeinträchtigungen ihrer Dauer und Intensität nach als eine Verletzung des Eigentums vergleichbar angesehen werden können.
4. Wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ergeben sich keine Schadensersatzansprüche des Gewerbetreibenden, weil es an der hierfür erforderlichen "Betriebsbezogenheit" bzw. "Unmittelbarkeit" des Eingriffs fehlt.
5. Selbst wenn der Gewerbetreibende infolge der Durchführung von Bauarbeiten an einem benachbarten Grundstück in einem absoluten Recht verletzt wird, fehlt es an der Rechtswidrigkeit, wenn der bauausführende Nachbar die infolge der Bauarbeiten entstehenden Beeinträchtigungen nach dem Stand der Technik nicht vermeiden kann.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 1, §§ 242, 249 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1-2, §§ 826, 906; BImSchG § 22 Abs. 1 Nr. 1; GKG § 45 Abs. 1 Sätze 2-3
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 4.680,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Ersatz wegen Gewinneinbußen infolge der Durchführung von Bauarbeiten durch die Beklagte.
Die Klägerin betreibt in von ihr in der B.... in ... angemieteten Räumen eine Parfümerie mit einem Kosmetikstudio. Sie führt u.a. sog. Wellnessbehandlungen durch. Im rückwärtigen, zu einem benachbarten Parkplatzgelände belegenen bereich befinden sich zwei Räume mit jeweils einer Liege, in denen die Behandlungen stattfinden.
Die Beklagte betreibt in der O... in .... ihre Hauptstelle .... Im Bereich zwischen den beiden Gebäuden unterhält die Beklagte einen Parkplatz. Wegen der Einzelheiten über die Örtlichkeit wird auf die in Kopie zur Akte gereichte Skizze Bezug genommen (Anlage K 1, Bl. 6 d.A.).
In der Zeit vom 19. bis 24.04., vom 04. bis 06.05. sowie vom 17. bis 19.05.2010 führte die Beklagte ohne Vorankündigung gegenüber der Klägerin auf dem Parkplatzgelände Baurarbeiten durch, insbesondere ließ sie den Bodenbelag erneuern.
Mit Schreiben vom 29.06.2011 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Durchführung weiterer Arbeiten für den 08.07.2011 an. Tatsächlich kam es am 08.07.2011 jedoch nicht zu Baulärm. Wegen der Einzelheiten über den Inhalt des Schreibens wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Anlage K 4, Bl. 71 d.A.).
Die Klägerin macht mit ihrer Klage entgangenen Gewinn infolge der von der Beklagten durchgeführten Bauarbeiten geltend. Ferner begehrt sie die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten unter Zugrundelegung einer 1,3-Geschäftsgebühr nach einem Streitwert von 4.320,00 EUR, also 354,90 EUR, zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 EUR, insgesamt also 374,90 EUR.
Sie behauptet, infolge der Bauarbeiten sei es zu massivem Baulärm gekommen, verursacht u.a. durch Presslufthammer, Rüttler, Schweißgeräte und Bagger. Infolgedessen sei in dem Zeitraum vom 19.04. bis 24.04.2010 eine Durchführung von Kosmetik- und Wellnessbehandlungen in den beiden Räumen nicht möglich gewesen. Sie habe fest vereinbarte Termine telefonisch absagen müssen. In beiden Räumen hätten sich in dem Zeitraum keine Umsätze erzielen lassen. Die Räume seien aufgrund der Bauarbeiten nicht nutzbar gewesen. Neben dem Baulärm sei auch die Staubentwicklung unerträglich gewesen, die Räume hätten infolge dessen nicht belüftet werden können. Zu den selben extremen Belastungen sei es in den Zeiträumen vom 04. bis 06.05. sowie vom 17. bis 19.05.2010 gekommen (Beweis für den gesamten vorstehenden Sachvortrag: Zeugnis des Herrn W...; Zeugnis der Frau J....; Zeugnis der Frau G...). In den Räumlichkeiten hätten keine Telefonate geführt werden können (Beweis: Zeugnis des Herrn B...). Pro Tag sei ein endgültiger Ausfall in Höhe von 360,00 EUR zu verzeichnen gewesen, weshalb sich unter Zugrundelegung von 12 Tagen ein Gesamtschaden in Höhe von 4.320,00 EUR ergebe....