Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1 713,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.06.2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger ist bestellter Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma Sch. Hairdesign und H. Hair (Schuldnerin), dessen Inhaber Sch. war. Er nimmt die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung geleisteter gesetzlicher Arbeitnehmeranteile für die Sozialversicherung in Anspruch. Die Schuldnerin nahm in der Vergangenheit Beitragszahlungen an die Kassen regelmäßig in Form von Sammelüberweisungen, das heißt ohne Trennung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteilen vor. Die Beklagte leitete im Ende November 2007 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen bestehender Beitragsrückstände (bis Oktober 2007 3 426,84 EUR) gegen Herrn Sch. ein. Sie erhielt am 13.12.2007 in bar 1 500,00 EUR und aufgrund einer Kassenpfändung am 18.12.2007 den restlichen Betrag in bar 1 926,84 EUR. Zu diesem Zeitpunkt bestanden Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber von in der Klageschrift benannten Gläubigern in Höhe von 121 649,46 EUR. Wegen der Zusammensetzung wird auf die Ausführungen in der Klageschrift Bezug genommen.

Auf Antrag der B-Krankenkasse vom 13. Februar 2008 (Eingang 15.2.08) eröffnete das Amtsgerichts Charlottenburg mit Beschluss vom 04. Juni 2008 das Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Mit Schreiben vom 24.11.2008 (Bl. 54 d.A.) focht der Kläger die Zahlung vom 18. Dezember 2007 nach §§ 131 Abs. 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 InsO an und bat unter Fristsetzung um Rücküberweisung der 1 926,84 EUR. Die Beklagte zahlte daraufhin die Hälfte des Betrages aus. Die Zahlung des restlichen Betrages von 963,42 EUR lehnte sich unter Hinweis auf § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV ab (Bl. 58f.d.A.). Unter dem 20.3.2009 erklärte der Kläger die Anfechtung bezüglich des weiteren Betrages von 1 500,00 EUR. Die Beklagte zahlte daraufhin 750,00 EUR an den Kläger.

Der Kläger beantragt nach Erweiterung der Klage um 750,00 EUR mit Schriftsatz vom 22.4.2009,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1 713,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.06.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die bei den Akten befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Arbeitnehmerbeiträge in Höhe von insgesamt 1 713,42 EUR aus §§ 143 Abs. 1, 129, 131 InsO. Danach muss zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners, veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist.

1. Der Kläger hat die Zahlungen wirksam gemäß §§ 129, 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO angefochten.

a) Nach §§ 129, 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO kann eine Rechtshandlung angefochten werden, wenn sie innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war. Auf die Kenntnis der Beklagten kommt es für diese Fälle nicht zwingend an (vgl. dazu § 131 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 InsO). Die Zahlung vom 13.12. und die Kassenpfändung am 18.12.2007 erfolgte innerhalb des zweiten Monats vor dem Eröffnungsantrag am 13.2.2008. Die Beklagte hat durch die Zahlungen eine inkongruente Deckung erlangt. Eine inkongruente Deckung liegt vor, wenn die Befriedigung oder Sicherung des Gläubigers unter dem Druck unmittelbar bevorstehender Zwangsvollstreckung zu deren Abwendung gewährt wurde (vgl. BGH, ZInsO 2008, 374; NJW 1997, 3445 ff.). Die Schuldnerin war zum Zeitpunkt der Zahlungen auch zahlungsunfähig. Die Beklagte hat den diesbezüglichen Vortrag des Klägers nicht bestritten. Gemäß § 17 Abs. 2 InsO ist Zahlungsunfähigkeit dann anzunehmen, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Die in dieser Vorschrift formulierte Vermutung gilt auch im Rahmen der §§ 130 ff. InsO (BGH, ZIP 2006 m.w.N.). Liegt Zahlungseinstellung vor, begründet dies eine gesetzliche Vermutung für die Zahlungsunfähigkeit (MüKo-InsO/Kirchhof, Bd.I., 2. Aufl., § 17 Rn. 24), die vom Prozessgegner zu widerlegen ist. Zahlungseinstellung ist dasjenige äußere Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Es muss sich also mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (BGH, ZIP 2003, 410; MüKo-InsO/Kirchhof, a.a.O., § 17 Rn. 25). Die Vorschrift des § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zeigt, dass das Gesetz eine Ungewissheit über die Wiederherstellung ...

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