Entscheidungsstichwort (Thema)

Verunglimpfung der Bundesrepublik Deutschland

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 20.11.1998; Aktenzeichen 243 Cs 1135/97)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 03.11.2000; Aktenzeichen 1 BvR 581/00)

 

Tenor

Der Angeklagte wird wegen Verunglimpfung der Bundesrepublik Deutschland unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 20. November 1998 – 243 Cs 1135/97 – zu einer Gesamtgeldstrafe von

160 – einhundertsechzig – Tagessätzen zu je 25,– (fünfundzwanzig) DM

verurteilt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.

Die sichergestellte Kassette TDK-SA 90 mit der Aufschrift Deutschland m.St. (Slime) wird eingezogen.

Angewendete Vorschriften:

§§ 90 a Abs. 1, 74, 54, 55 StGB

 

Tatbestand

I.

Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 25-jährige Angeklagte wurde in Köln geboren. Er ist deutscher Staatsangehöriger, ledig und hat keine Kinder. Der Angeklagte studiert im 11. Semester Geschichte und Erziehungswissenschaften. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er von dem Gehalt aus Gelegenheitsarbeiten, durch welche er durchschnittlich zwischen 900,– und 1.000,– DM netto monatlich erzielt. Die monatlichen Miet- und Mietnebenkosten des Angeklagten betragen 150,– DM.

Ausweislich des in der Hauptverhandlung gemäß § 249 StPO verlesenen und mit dem Angeklagten erörterten Bundeszentralregisterauszuges vom 18. September 1998 ist der Angeklagte bislang strafrechtlich in einem Fall in Erscheinung getreten. Mit Strafbefehl vom 20. November 1997 verhängte das Amtsgericht Tiergarten in Berlin –243 Cs 1135/97– gegen den Angeklagten wegen Diebstahls eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 50,– DM Dieser Verurteilung, deren Strafe noch nicht vollständig durch gemeinnützige Tätigkeit vollstreckt ist, lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 2. Oktober 1998 gegen 17.15 Uhr entwendete der Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma Kiepert, Hardenbergstraße 4–5, 10623 Berlin, ein Buch „Rote Armee Fraktion” zum. Verkaufspreis von 49,80 DM.

 

Entscheidungsgründe

II.

Zur Überzeugung des Gerichts steht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme folgender Sachverhalt fest:

Am 3. September 1997 fand im Bereich Adalbertstraße in Berlin-Kreuzberg eine angemeldete Versammlung unter dem Motto „Freiheit für Ulli” statt, an welcher der Angeklagte, der die Versammlung zuvor auch angemeldet hatte, als Versammlungsleiter teilnahm. Gegenstand der Veranstaltung war die Thematisierung der vorangegangenen Inhaftierung des zwischenzeitlich unter anderem wegen Verunglimpfung der Bundesrepublik Deutschland durch Abspielen eines Liedtextes rechtskräftig verurteilten Ulrich ….

Aus dem Führerhaus des zu diesem Zweck durch die Veranstalter angemieteten LKW des Fips e.V. mit darauf montierter Lautsprecheranlage wurden während der Veranstaltung Redebeiträge vorgenommen sowie über die darin befindliche Mini-Stereo-Musikanlage, deren Bedienteil dem Beifahrerseitz zugewandt war, Musikbeiträge ausgestrahlt.

Im Verlaufe der Versammlung, an welcher etwa 50 Personen teilnahmen, wurde der Angeklagte war als Versammlungsleiter durch den Verbindungsbeamten der Polizei, den Zeugen POM K. mehrfach auf die Strafbarkeit des Abspielens des Liedes „Deutschland” der Gruppe Slime hingewiesen.

Gegen 19.30 Uhr trat der Zeuge POM K. an die Beifahrertür des Fahrzeuges heran, um den auf dem Beifahrersitz befindlichen Angeklagten daraufhinzuweisen, daß der angekündigte Beendigungszeitpunkt der Veranstaltung erreicht sei. Als der Angeklagte nach einigem Zögern die Beifahrertür öffnete, erklangen aus den Lautsprechern des Lkw die ersten Töne des von einer durch den Angeklagten in die Stereoanlage eingelegten sowie in Gang gesetzten Musikkassette TDK-SA 90 abgespielten Liedes Deutschland der Gruppe „Slime”. Als der Angeklagte von dem POM K. nochmals auf die Strafbarkeit des öffentlichen Abspielens dieses Liedes hingewiesen werden sollte, schloß dieser die Beifahrertür und ermöglichte dergestalt das vollständige Abspielen des Liedes für die Dauer von etwa drei bis dreieinhalb Minuten. Sodann informierte der Angeklagte die Teilnehmer der Kundgebung über Mikrophon über das Ende der Veranstaltung und verließ das Fahrzeug durch die Beifahrertür, um sich zu entfernen. Er wurde kurze Zeit später durch Polizeibeamte gestellt und der Personalienfeststellung zugeführt.

Das von dem Lautsprecherwagen in großer Lautstärke abgespielte und für eine Vielzahl von Versammlungsteilnehmern, die den Liedtext teilweise mitsangen, und anderen Anwesenden wahrnehmbare Lied der Punkrock-Gruppe „Slime” wies folgenden Text auf:

„Wo Faschisten und Multis das Land regiern, wo Leben und Umwelt keinen interessieren, wo alle Menschen ihr Recht verliern, da kann eigentlich nur noch eins passieren:

Deutschland muß sterben damit wir leben können,

Deutschland muß sterben, damit wir leben können,

Deutschland muß sterben, damit wir leben können,

Deutschland muß sterben, damit wir leben können.

Schwarz ist der Himmel und rot ist d...

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