Tenor
1.
Die Verwaltungsbehörde hat dem Verteidiger Auskunft über weitere Einzelheiten zu dem zum Einsatz gebrachten Messgerät zu erteilen, wie das Baujahr, die genaue Typenbezeichnung und eventuelle Aufrüstungen, soweit sich diese Angaben nicht bereits aus dem Eichschein Bl.5 d. Verwaltungsakte ergeben.
2.
Die Verwaltungsbehörde hat dem Verteidiger Auskunft zu der Frage zu erteilen, wann und warum das zum Einsatz gebrachte Messgerät eventuell repariert, geeicht bzw. nachgeeicht wurde.
3.
Dem Verteidiger des Betroffenen ist Akteneinsicht in folgende Unterlagen zu gewähren:
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Handbuch des zum Einsatz gebrachte Messgerätes
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Beschilderungsplan
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Original-Beweisfotos
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Original-Messprotokoll
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Messliste mit beobachteten und nicht beobachteten Messungen
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koplette Beweisdatensätze der Messserie
4.
Die Akteneinsicht ist durch Übersendung in die Kanzleiräume, in geeigneten Fällen nachdem der Verteidiger ein entsprechend geeignetes Speichermedium zur Verfügung gestellt hat, oder, wenn dies technisch nicht anders möglich ist, in den Räumen einer entsprechenden Verwaltungsbehörde in unmittelbarer Nähe zu den Kanzleiräumen des Verteidigers zu gewähren.
5.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
6.
Die Kosten des Verfahrens und die Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Land Brandenburg, Zentraldienst der Polizei, Zentrale Bußgeldstelle, Gransee, im Folgenden die Verwaltungsbehörde, führt gegen die Betroffene ein Bußgeldverfahren wegen des Verdachts der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften. Die Messung erfolgte am 21.06.2012 mit einem Geschwindigkeitsüberwachungsmessgerät des Herstellers eso GmbH. Es wurden mehrere Messfotos erstellt.
Der Verteidiger hatte bis einschließlich Bl.15 der Verwaltungsakte Akteneinsicht. Wegen des insoweit gegebenen Akteninhalts wird auf die Verwaltungsakte verwiesen. Mit Schreiben vom 25.07.2012 begehrte der Verteidiger weitere Akteneinsicht. Wegen des Inhalts und des Umfangs dieses Gesuchs wird auf Bl. 17 - 19 der Verwaltungsakte verwiesen. Hilfsweise beantragte der Verteidiger gerichtliche Entscheidung.
Mit Schreiben vom 30.07.2012 lehnte die Verwaltungsbehörde die begehrte weitere Akteneinsicht ab. Wegen der Begründung dieser Ablehnung wird auf dieses Schreiben Bl. 20f der Verwaltungsakte verwiesen.
Die Verwaltungsbehörde legte die Sache dem Gericht zur Entscheidung vor.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 62 OWiG zulässig.
Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
Gemäß § 46 Abs.1 OWiG i.V.m. § 147 StPO hat der Verteidiger der Betroffenen ein Recht auf Akteneinsicht, das sich auf alle Akten, Aktenteile und weiteren Unterlagen oder Datenträger bezieht, auf die der Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird (Göhler OWiG, 15.Aufl., § 60, Rdnr. 49), aus denen sich der Schuldvorwurf ergeben soll und die möglicherweise auch der Entlastung der Betroffenen dienen können. Das umfassende Akteneinsichtsrecht der Verteidigung ist auch aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens begründet. Die Verteidigung muss, ggf. unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen, die erfolgte Messung in allen Einzelheiten auch und gerade hinsichtlich möglicher Fehlerquellen überprüfen können.
Im Einzelnen:
Soweit der Verteidiger Einsicht in die sog. Lebensakte des zum Einsatz gebrachten Messgerätes begehrt, war der Antrag zurückzuweisen.
Grundsätzlich wird man von einem dementsprechenden Recht auf Akteneinsicht auszugehen haben (AG Bad Kissingen, Beschluss vom 06.07.2006, 3 OWi 17 Js 7100/06; AG Erfurt, Beschluss vom 25.03.2010, 64 OWi 624/10; beide zitiert nach [...]; AG Ellwangen, Beschluss vom 25.10.2010, 5 OWi 146/10; zitiert nach beck-online; a.A. nur (soweit ersichtlich) AG Schwelm, Beschluss vom 13.04.2010, 64 OWi 18/10 (b), unter Berufung auf Göhler OWiG, 15.Aufl., § 60, Rdnr. 49; zitiert nach [...])
Die Verwaltungsbehörde hat auf den entsprechenden Antrag erklärt, dass eine derartige Lebensakte "durch die Polizei des Landes Brandenburg nicht geführt" wird. Dies ist, wenngleich es anderenorts möglicherweise anders gehandhabt wird, so hinzunehmen.
Wird eine solche Lebensakte jedoch - wie hier - nicht geführt, so hat die Verwaltungsbehörde in dem sich aus Ziffer 1 und 2 des Tenors ergebenden Umfang Auskunft, ggf. auch durch Benennung diesbezüglich aussagefähiger Zeugen, zu erteilen.
Die Verteidigung muss sich umfassend mit den technischen Details und dem Eichzustand des zum Einsatz gebrachten Messgerätes befassen können, dies gilt auch dann, wenn, wie hier, ein Eichschein in der Akte ist. Die Frage, ob nach der dokumentierten Eichung vom 20.11.2011 (die Messung erfolgte am 21.06.2012, also über ein halbes Jahr später) weitere Eingriffe an dem zum Einsatz gebrachten Messgerät erfolgten sind, ist legitim, auch vor dem Hintergrund, dass die Eichung nach dem Eichschein bis zum 31.12.2012 gültig ist, und kann auch problemlos beantwortet werden.
Das Recht auf Akteneinsicht bezeiht sich auch auf das Handbuch bzw. die ...