Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an das Verfahren zur Prüfung der Gewährung einer Prozesskostenstundung im Hinblick auf die Möglichkeit eines wirtschaftlich unbelasteten Neustarts des Schuldners

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren der Prüfung der Gewährung der Verfahrenskostenstundung ist auch zu berücksichtigen, ob dem Schuldner voraussichtlich ein wirtschaftlich unbelasteter Neustart möglich ist. Dies ist nicht der Fall, sofern mit der Anmeldung von Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung ernsthaft zu rechnen ist und diese einen beträchtlichen Teil seiner Gesamtverschuldung (vorliegend 45 %) ausmachen.

2. Eine Verurteilung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 248b, 27 StGB ist in diesem Sinne berücksichtigungsfähig, weil sich hier der Schädiger vorsätzlich an dem Eigentum oder den Sachwerten eines Dritten vergeht und eine „Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination” nicht gegeben ist.

 

Normenkette

InsO § 4a Abs. 1 S. 3, § 302 Nr. 1

 

Gründe

Der Antrag des Schuldners auf Stundung der Verfahrenskosten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Nach der Rechtsprechung des BGH braucht eine Stundung der Verfahrenskosten auch aus anderen als den in § 4a Abs. 1 Satz 3 InsO genannten Gründen dann nicht gewährt zu werden, wenn ein Schuldner auch aufgrund anderer Umstände Restschuldbefreiung offensichtlich nicht erlangen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, ZInsO 2005, 207, 208; Beschl. v. 27.1.2005 – IX ZB 270/03; Beschl. v. 21.9.2006 – IX ZB 24/06, ZInsO 2006, 1103, 1104). Dies kann der Fall sein, wenn die wesentlichen am Verfahren teilnehmenden Forderungen gem. § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind (BGH, Beschl. v. 21.9.2006, a.a.O.). Danach werden Verbindlichkeiten eines Schuldners von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen, die auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners beruhen, sofern der Gläubiger diese Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet hat.

Zwar ist Letzteres zum jetzigen Zeitpunkt nicht gegeben, da das Verfahren nicht eröffnet und Forderungen auch nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden können. Es ist jedoch zulässig, zum jetzigen Zeitpunkt eine entsprechende Prognoseentscheidung zu treffen, wenn sich bereits aus dem Eröffnungsantrag ergibt, dass diese Voraussetzungen gegeben sind (vgl. LG Düsseldorf, Beschl. v. 4.7.2007 – 25 T 395/07, NZI 2008, 253). Ziel der Stundung der Verfahrenskosten ist es, dem mittellosen Schuldner einen wirtschaftlichen Neustart zu ermöglichen und dabei die Entscheidung über die Frage der Stundung der Verfahrenskosten an leicht feststellbare und für den Schuldner offensichtliche Tatsachen zu knüpfen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.9.2006, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Ausweislich des Urteils des LG Düsseldorf v. 9.5.2007 (10 O 395/05) resultiert die Forderung des Gläubigers … auch auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 248b, 27 StGB, wobei im Tenor des genannten Urteils ausdrücklich festgestellt worden ist, dass die Forderung des Klägers gegenüber dem Schuldner auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung beruht.

Angesichts der Höhe der Forderung (ca. 13.000 EUR Sachschaden sowie aufgelaufene Zinsen i.H.v. ca. 10.000 EUR), die ca. 45% der Gesamtverschuldung des Schuldners ausmacht, den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners (geboren 1984, noch ohne Berufsausbildung, arbeitslos seit März 2010, derzeit in einer Ausbildungsmaßnahme, Angebot eines flexiblen Nullplans im Rahmen des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens) sowie des Umstands, dass seit dem Schadensereignis im März 2005 keinerlei Zahlungen des Schuldners geleistet worden sind, hat das Gericht keine Zweifel daran, dass der Schuldner – auch nach einer etwaigen Restschuldbefreiung in Bezug auf seine aktuellen weiteren Verbindlichkeiten – nicht in der Lage sein wird, diese Forderung zu tilgen, sodass ein unbelasteter wirtschaftlicher Neustart diesem nicht möglich sein wird.

Angesichts des Schreibens des betroffenen anwaltlich vertreten Gläubigers v. 22.3.2012 im Rahmen des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs, in welchem bereits auf den Deliktscharakter der Forderung und die Ausnahme von der Erteilung der Restschuldbefreiung hingewiesen wird, bestehen auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Forderung in einem etwaig eröffneten Verfahren als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung angemeldet würde.

Soweit sich der Schuldner darauf beruft, dass eine vorsätzlich unerlaubte Handlung i.S.d. § 302 InsO voraussetze, dass auch die Schadensfolge vom Vorsatz erfasst sein müsse und Bezug nimmt auf die Entscheidung des BGH v. 21.7.2007 (IX ZR 29/06, ZInsO 2007, 814 = NZI 2007, 532), rechtfertigt dies keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

Sowohl im Fall des § 823 Abs. 1 BGB als auch bei einer Verletzung eines Schutzgesetzes muss sich der Vorsatz des Schuldners lediglic...

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