Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung der Möglichkeit eines wirtschaftlich unbelasteten Neustarts eines Schuldners im Verfahren der Prüfung der Gewährung der Verfahrenskostenstundung. Berücksichtigungsfähigkeit einer Verurteilung gem § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 248b, 27 StGB
Leitsatz (redaktionell)
Im Verfahren der Prüfung der Gewährung der Verfahrenskostenstundung ist auch zu berücksichtigen, ob dem Schuldner voraussichtlich ein wirtschaftlich unbelasteter Neustart möglich ist. Dies ist nicht der Fall, sofern mit der Anmeldung von Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung ernsthaft zu rechnen ist und diese einen beträchtlichen Teil seiner Gesamtverschuldung (vorliegend 45 %) ausmachen.
Eine Verurteilung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 248b, 27 StGB ist in diesem Sinne berücksichtigungsfähig, weil sich hier der Schädiger vorsätzlich an dem Eigentum oder den Sachwerten eines Dritten vergeht und eine „Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination” nicht gegeben ist.
Normenkette
InsO § 4a Abs. 1 S. 3, § 302 Nr. 1; BGB § 823 Abs. 2; StGB § 248b; InsO § 302
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat aus den im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg.
Zu Recht hat das AG den Antrag des Schuldners auf Bewilligung der Stundung der Verfahrenskosten zurückgewiesen, weil der Schuldner Restschuldbefreiung offensichtlich nicht erlangen kann. Aus den Gründen des amtsgerichtlichen Beschlusses, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, liegt ein in § 4a Abs. 1 Satz 3 InsO nicht genannter Versagungsgrund vor, nämlich dass die wesentlichen am Verfahren teilnehmenden Forderungen gem. § 302 InsO als Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind (vgl. BGH, NZI 2005, 231; Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 72/03, […] Rn. 9).
Der Einwand des Schuldners, die betreffende Forderung des Gläubigers, des eingetragenen Kaufmanns …, handelnd unter der Firma …, sei keine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung des Schuldners, greift schon deshalb nicht durch, weil dies zwischen dem genannten Gläubiger und dem Schuldner aufgrund des rechtskräftigen Urteils des LG Düsseldorf v. 9.5.2007 – 10 O 395/05, feststeht.
Denn dort ist festgestellt, dass die Forderung des Klägers, des genannten Gläubigers, gegen den Beklagten zu 1), den Schuldner, auch auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruht. Diese rechtskräftige Feststellung ist auch vorliegend bindend. Zwar wird in dem Urteil das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags erforderliche Feststellungsinteresse damit begründet, dass sich nach § 850f Abs. 2, 1. HS ZPO für den Gläubiger einer unerlaubten Handlung ein Vollstreckungsprivilegs ergibt. Diese lediglich im Rahmen der Zulässigkeit betroffene Erwägung beschränkt allerdings nicht die Reichweite der Rechtskraft dieser Feststellung.
Aus den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung ist damit zu rechnen, dass der genannte Gläubiger seine Forderung auch unter Vorlage des Titels, aus dem sich nach seiner Einschätzung ergibt, dass der Forderung eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt (§ 174 Abs. 2 InsO), zur Insolvenztabelle anmeldet. Es ist auch damit zu rechnen, dass das Gericht seiner Hinweispflicht nach § 175 Abs. 2 InsO nachkommt. Würde der Schuldner dann nicht widersprechen, wäre die Forderung von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen (vgl. Vallender, in: Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 302 Rn. 19). Widerspricht der Schuldner hingegen – ggf. auch beschränkt auf den Rechtsgrund „vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung” – der Feststellung der Forderung des genannten Gläubigers zur Tabelle, steht dies der Feststellung der Forderung zur Tabelle nicht entgegen (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO), der Gläubiger kann dann jedoch die Zwangsvollstreckung aus dem Tabellenauszug gegen den Schuldner nicht betreiben (§ 201 Abs. 2 Satz 1, 2 InsO). Er kann jedoch auf einen bestehenden Titel – vorliegend das Urteil des LG Düsseldorf v. 9.5.2007 – zurückgreifen (vgl. BGH, NZI 2006, 536, […] Rn. 9 m.w.N.). Danach steht auch für Gerichte in einem späteren Verfahren – z.B. einer Vollstreckungsgegenklage des Schuldners nach § 767 ZPO – rechtskräftig fest, dass diese Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht (vgl. zu den Rechtskraftwirkungen auch Vallender, a.a.O., § 302 Rn. 24a, 24c) und gem. § 302 Nr. 1 InsO von einer evtl. erteilten Restschuldbefreiung ausgenommen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 4 InsO, § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 4 InsO, § 574 ZPO).
Fundstellen