Gründe
Die Antragstellerin - eine Sozialversicherungsträgerin - hat mindestens Forderungen i.H.v. 13.666,85 EUR gegen den Schuldner, der einen laufenden Geschäftsbetrieb als Einzelunternehmen unterhält, geltend gemacht.
Sie teilte zunächst unter dem 7.10.2002 "eine Zahlung" ohne nähere Angaben mit und erklärte ihren Antrag voll für erledigt. Im Wege der Amtsermittlung gem. § 5 InsO hat der zuständige Insolvenzrichter ermittelt, dass der Schuldner - im Eröffnungsverfahren - nur bisher insgesamt 4.000 EUR an die Antragstellerin zahlte. Die letzte Zahlung erfolgte mit Gutschrift am 1.10.2002. Der Antrag wurde dem Schuldner am 20.9.2002 zugestellt. Der Schuldner verweigert gegenüber dem Insolvenzgericht die angeforderten Auskünfte zu seiner Vermögenssituation.
Die genannten Zahlungen sind während der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geleistet worden. Die Zahlungsunfähigkeit ist belegt durch den mehrmonatigen Rückstand mit Sozialversicherungsbeiträgen. Die Antragstellerin selbst trägt die Zahlungsunfähigkeit vor. Die Wiederaufnahme von Teilzahlungen belegt noch nicht die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit (jüngst: OLG Celle, ZInsO 2002, 979 ff. m.w.N.). Die Antragstellerin behauptet nicht, sich über die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners vergewissert zu haben.
Die Zahlungen sind daher anfechtbar (BGH, ZInsO 2002, 29 ff.; BGH, ZIP 1998, 2008 ff., s. auch ZInsO 17/2002, Stiller, S. 793 ff., zur Anfechtbarkeit wg. § 133 InsO - auch bei einer Zahlung durch Dritte - ), unwirksam und die Entgegennahme der Zahlung ist eventuell sogar strafbar (Beihilfe zur Gläubigerbegünstigung) (zu allem: Frind/Dr.Schmidt, ZInsO 2001, 1133 ff.; ZInsO 2002, 8 ff.; Schmahl, NZI 2002, 177 ff.).
Das Procedere der Antragstellerin unterläuft die Zielsetzung des Insolvenzverfahrens - Befriedigung aller Gläubiger in einem geordneten Verfahren - und führt dazu, dass insolvente Betriebe im Wirtschaftsleben gehalten werden, mit der Folge der Begründung weiterer Verbindlichkeiten zum Nachteil weiterer Gläubiger.
Die Erledigungserklärung ist daher unwirksam, weil sie dem einmal in Gang gesetzten Verfahrenszweck (§ 1 InsO) zuwiderläuft, aber auch gegen § 134 BGB verstößt.
Die Dispositionsmaxime ist insofern durch den Zweck des Gesetzes (InsO) eingeschränkt. Der Gefahr des Missbrauches (Druckanträge zur Erlangung anfechtbarer Teilzahlungen) ist, wie im Falle der Rücknahme des Insolvenzantrages durch einen während des Verfahrens neu eingesetzten Geschäftsführer (dazu: Frind/Dr.Schmidt, ZInsO 2002, 9, dort Anm. Nr. 2 m.w.N.), dadurch zu begegnen, dass die Dispositionsfreiheit des Insolvenzantragstellers zur Verfahrensbeendigung eingeschränkt wird.
Nur dann, wenn die Verfahrensbeendigung i.S. aller - bekannten - Gläubiger ist, oder deren erkennbaren Willen entspricht, und die Zahlung nicht anfechtbar ist, kann das Verfahren bei einer Teilzahlung des Schuldners an die Antragstellerseite voll für erledigt erklärt werden oder der Antrag zurückgenommen werden.
Denn zu bedenken ist auch, dass die Erledigungserklärung bzw. Rücknahme den Verlust des "Anfechtungsschutzschirmes" der Vorschriften der §§ 130 ff. InsO bewirkt, da die Obergerichte, vgl. BGH, ZInsO 2002, 29 ff. im Anschluss an OLG Dresden (ZInsO 2001, 910 ff.), die Frist des § 139 InsO so auslegen, dass diese nicht mit dem Datum des wirksam für erledigt erklärten Antrages (nach vorne gerechnet) beginnt. Die Gläubiger, die also von dem später für erledigt erklärten Antrag zunächst erfahren haben, z.B. durch Veröffentlichung einer Anordnung nach §§ 21, 22 InsO, und auf das Weiterlaufen des Verfahrens vertraut haben - eventuell deswegen keinen eigenen Antrag gegen den Schuldner gestellt haben - , werden somit durch eine "unbegründete Erledigungserklärung" der Antragstellerseite geschädigt, da sie möglichen Anfechtungsansprüchen verlustig gehen.
Auch deswegen kann eine solche Erledigungserklärung nicht zugelassen werden.
Zur Klarstellung des Verfahrensstandes war daher insofern. gem. §§ 4 InsO, 303 ZPO ein Zwischenfeststellungsbeschluss zu treffen.
Fundstellen
Haufe-Index 3514739 |
EWiR 2003, 605 |
EWiR 2003, 605-606 (red. Leitsatz mit Anm.) |
ZIP 2002, 2270 |
ZIP 2002, 2270-2271 (Volltext mit red. LS) |
NZI 2003, 104 |
ZInsO 2002, 1100 (Volltext mit red. LS) |
ZVI 2002, 413 |