Leitsatz (amtlich)
Das erkennende Gericht ist für die Anordnung einer Maßnahme nach § 81g StPO zuständig, sobald Anklage erhoben und die Sache bei ihm rechtshängig ist. Die Anordnung trifft dann nicht mehr der Ermittlungsrichter.
Für die Aufnahme eines DNA-Identifizierungsmusters in eine DNA-Datei besteht kein Richtervorbehalt.
Bei gewerbsmäßigem Computerbetrug kommt eine Anordnung nach § 81g StPO nur in Betracht, wenn bei Würdigung aller Umstände eine solche Tat gleiches Gewicht wie den in § 81g Abs. 1 Nr. 1 StPO genannten Regelbeispielen zukommt.
Die bloße Möglichkeit einer erneuten Begehung genügt für die Annahme der notwendigen Negativprognose nicht. Gefordert ist eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit, daß der Angeklagte erneut Straftaten von erheblicher Bedeutung begeht. Die Annahme, der Angeklagte könnte erneut Diebstähle nach § 242 StGB begehen, genügt regelmäßig nicht. Ebensowenig genügt die Annahme der Begehung weiterer Taten nach § 263a Abs. 1, Abs. 2 StGB, weil bei Computerbetrug typischerweise keine DNA-Spuren hinterlassen werden.
Tenor
1) In der Strafsache gegen H. wird das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 1.11.2005 – Geschäfts-Nr. 3201 Js 307/05 – zur Hauptverhandlung zugelassen.
Die Hauptverhandlung soll hier vor dem Strafrichter stattfinden.
2) Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass einer Anordnung nach § 81g StPO wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Antrag der Staatsanwaltschaft ist zulässig, die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung einer Maßnahme nach § 81g StPO liegen jedoch nicht vor.
a) Das Gericht ist für die Entscheidung über die Anordnung einer Maßnahme nach § 81g StPO als erkennendes Gericht zuständig, da die Anklage bereits erhoben wurde und die Sache noch rechtshängig ist (OLG Celle, NStZ-RR 2000, 374; OLG Hamm, StV 2000, 606; OLG Düsseldorf, NStZ 2004, 349; OLG Saarbrücken, NStZ-RR 2004, 112; offengelassen von OLG Hamburg, OLGSt DNA-IFG § 2 Nr. 4).
Der Gesetzgeber hat die Frage der Zuständigkeit für entsprechende Anordnungen nicht geregelt. Die Zuständigkeitsbestimmung im Falle der Rechtshängigkeit einer Sache richtet sich daher nach der Systematik der Regelungen strafrichterlicher Zuständigkeiten im Ermittlungs-, Haupt- und Nachverfahren (so auch OLG Hamburg aaO). Die Erhebung der Anklage einerseits und der Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung andererseits bilden Verfahrenseinschnitte, die jeweils einen Wechsel der richterlichen Zuständigkeiten zur Folge haben. Das gilt für die Abgrenzung vom Ermittlungsverfahren zum Hauptverfahren für haftrichterliche und weitere richterliche Maßnahmen ausdrücklich (§ 125, 126 StPO), ebenso für die Abgrenzung vom Hauptverfahren zum Vollstreckungsverfahren (§ 462 a StPO), muss sinngemäß und konsequent aber auch für andere sachlich zusammenhängende Entscheidungen während eines laufenden Verfahrens gelten. Indem der Gesetzgeber durch die Verweisung in § 81g III StPO auf §§ 81a II und 81f StPO „den Richter” für zuständig erklärte, kann damit nur derjenige Richter angesprochen sein, der diese Funktion bei der Anwendung dieser Vorschriften und nach dem System der Verfahrensordnung auch sonst hat (vgl. die ausdrückliche Regelung in Haftsachen gemäß §§ 125, 126 StPO). Eine Abweichung davon hätte in dem Gesetz zum Ausdruck kommen müssen (OLG Celle aaO).
Die gegen diese Lösung vorgebrachten Bedenken (KG, NStZ-RR 2004, 82) überzeugen nicht. Der Einwand, die Anordnung nach § 81g StPO diene nicht dem laufenden, sondern einem künftigen Verfahren, ist zwar zutreffend, trägt aber nicht. Denn für die Entscheidung über den Erlass der Anordnungen ist der Tatverdacht im Rahmen des anhängigen Verfahrens und eine sich daraus ergebende Prognose zu prüfen, ist damit also ein enger sachlicher Zusammenhang gegeben (vgl. OLG Celle aaO). Prozessökonomische Erwägungen sind an dieser Stelle keineswegs verfehlt, da eine effektive, funktionstüchtige Strafrechtspflege die Verwirklichung der Leitprinzipien des Strafverfahrens, nämlich der Wahrheitsfindung und der Gerechtigkeit, gerade erst ermöglicht (vgl. BVerfGE 34, 2; 38, 248 f.).
b) Soweit die Staatsanwaltschaft beantragt, die „Aufnahme [des DNA-Identifizierungsmusters] in die DNA-Datei” anzuordnen, fehlt bereits die erforderliche Rechtsgrundlage (LG Offenburg, StV 2003, 29). Für die Speicherung der DNA-Identifizierungsmuster besteht ein Richtervorbehalt nicht (LG Hamburg, NJW 2001, 2563; Meyer-Goßner StPO, 48. Aufl., § 81g, Rn. 12 m.w.N.).
c) Aber auch soweit beantragt wird, die Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters des Angeklagten anzuordnen und eine Sachverständige mit der Untersuchung zu beauftragen, liegen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen gemäß § 81g StPO nicht vor.
Gegen den Angeklagten besteht der hinreichende Tatverdacht, sich eines gewerbsmäßigen Computerbetruges in vier Fällen schuldig gemacht zu haben. Da es für eine Maßnahme nach § 81g StPO auf den Grad des Tatverdachts nich...