Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckungsschutz: Fachärztliches Attest zur Begründung des Räumungsschutzbegehrens

 

Leitsatz (amtlich)

Bewertung eines fachärztlichen Attestes, das lediglich eine subjektive Einschätzung der Räumungsschuldnerin über ihren eigenen Gesundheitszustand wiedergibt. Mit diesem Attest soll ein Räumungsschutzbegehren begründet werden.

 

Verfahrensgang

AG Hamburg (Urteil vom 17.08.2005; Aktenzeichen 46 C 165/03)

 

Tenor

1. Der Antrag der Schuldnerin vom 01.11.2005, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 17.08.2005 – Geschäftsnummer: 46 C 165/03 – bis zum 01.04.2006 einzustellen, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Streitwert wird festgesetzt auf 1.426,80 EURO.

 

Gründe

Die Schuldnerin begehrt die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem oben genannten Urteil bis zum 01.04.2006. Auf den Antrag vom 01.11.2005 wird Bezug genommen.

Die Gläubiger beantragten mit Schreiben vom 14.11.2005 und vom 17.11.2005, auf die Bezug genommen wird, die Zurückweisung des oben genannten Antrages.

Der Antrag der Schuldnerin ist zulässig, aber unbegründet.

Die Gewährung von Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO ist nur in Ausnahmefällen möglich und zwar dann, wenn die Zwangsvollstreckung unter voller Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Gläubiger eine sittenwidrige Härte für die Schuldnerin darstellen würde. Eine solche ist hier nicht gegeben. Der Antrag der Schuldnerin enthält keinerlei Gründe, aus denen heraus die bevorstehende Zwangsvollstreckung für die Schuldnerin eine sittenwidrige Härte darstellt. Auch lassen sich dem Antrag keinerlei Gründe dafür entnehmen, dass eine solche sittenwidrige Härte vorliegen könnte.

Die ärztlichen Atteste vom 01.11.2005 und vom 08.11.2005 waren nicht geeignet, eine für die Schuldnerin positive Entscheidung herbeizuführen. Eine Zwangsräumung bedeutet für die Beteiligte in jedem Fall eine körperliche und seelische Belastung. Es wurde nicht genügend dargelegt, dass die Zwangsräumung zum gegenwärtigen Zeitpunkt für die Schuldnerin eine akute Gesundheitsgefährdung auslösen könnte. Das ärztliche Attest vom 01.11.2005 wurde vom Hausarzt der Schuldnerin, der Arzt für Allgemeinmedizin ist, ausgestellt. Es wird mit keinem Wort erwähnt, aufgrund welcher fachmedizinischen Qualifikation der Arzt dieses Attest ausstellt. Anhaltspunkte für die Beantwortung dieser Frage ergeben sich auch nicht aus dem Attest. Daneben genügt dieses Attest auch nicht den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an fachärztliche Atteste stellt, mit denen ein Räumungsschutzbegehren begründet werden soll. Der Bundesgerichtshof stellt an solche fachärztlichen Atteste hohe Anforderungen. So müssen solche Atteste Aussagen darüber enthalten, „aufgrund welcher Umstände welche gesundheits- und/oder lebensbedrohlichen Konsequenzen mit welchem Grad der Wahrscheinlichkeit für den Schuldner im Falle einer Zwangsräumung zu befürchten sind”. Diese Kriterien erfüllt das ärztliche Attest vom 01.11.2005 nicht. Auch das ärztliche Attest vom 08.11.2005 genügt diesen Anforderungen nicht. Wie die Gläubiger in ihrem Schreiben vom 17.11.2005 glaubhaft ausführen, gibt dieses Attest lediglich eine persönliche Einschätzung der Schuldnerin über ihren Gesundheitszustand wieder. Das Attest sagt nichts darüber aus, aufgrund welcher eigenen Untersuchungen und Gespräche der das Attest ausstellende Arzt zu den von ihm attestierten Diagnosen gekommen ist.

Auch die Aussage der Betreuerin der Schuldnerin im Schreiben vom 16.11.2005, die Schuldnerin sei nach ihrer Einschätzung derzeit überhaupt nicht ansatzweise in der Lage, adäquate Vorkehrungen zu treffen und bei der Durchführung der Zwangsräumung aktuell suizidal gefährdet, reicht nicht aus. Es wird nicht ersichtlich, aufgrund welcher eigenen medizinischen Qualifikation die Betreuerin der Schuldnerin zu dieser Einschätzung kommt. Auch entspricht diese Aussage der Betreuerin der Schuldnerin nicht einmal ansatzweise den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an ärztliche Atteste stellt, die ein Räumungsschutzbegehren begründen sollen.

Die Vorschrift des § 765a ZPO kann nicht allein deshalb angewendet werden, weil für die Schuldnerin kein Ersatzwohnraum zur Verfügung steht. Es ist auch nicht weiter dargelegt worden, dass die Schuldnerin innerhalb des von ihr als Vollstreckungsschutz beantragten Zeitraumes eine neue Wohnung wird mieten können. Die Schuldnerin hat zwar einige Wohnungsbemühungen dokumentiert, jedoch stammen diese meistens aus der Zeit, als die im Urteil bis zum 30.09.2005 ausgesprochene Räumungsfrist längst abgelaufen war. Es ist aus keiner Aufzeichnung der Schuldnerin ersichtlich, warum die Anmietung im Einzelfall nicht erfolgte bzw. woran diese gescheitert ist. Das zur Räumung verpflichtende Urteil wurde ausweislich des in der Akte befindlichen Verkündungsprotokolls am 17.08.2005 verkündet. Die Schuldnerin und ihre Prozessbevollmächtigte wussten von diesem Verkündungstermin, da dieser Termin ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 27.07...

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