Tenor
I. Der Beschluss der Eigentümerversammlung v. 1.6.2022 zu Tagesordnungspunkt 2.1 wird für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung v. Seiten der Klägerseite durch Sicherheirtsleistung i.H.v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn die klägerseite nicht zuvor Sicherheiten in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert wird auf insgesamt EUR 1.000,– festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger sind gemeinsam und zu je 50 % Wohnungseigentümer der Einheit Nr.3 der Wohnungseigentümergemeinschaft, die die Beklagte gern. Teilungserklärung v. 20.7.2006 (Anl. K K1) nebst Änderung v. 17.1.2007 (Ahl. K 2) bildet. In der Eigentümerversammlung v. 1.6.2022 fassten die Eigentümer knapp mehrheitlich zu TOP 2.1 den als angenommen verkündeten Beschluss „Der Verteilerschlüssel soll zukünftig nach Wohneinheiten geändert werden.” (Anl. K 3 – Protokoll). Die Kläger wenden sich gegen diesen Beschluss.
Sie tragen vor:
Der Beschluss sei unbestimmt und hinsichtlich der Beschlusskompetenz weder aus Teilungserklärung (folgend: TE) noch aus § 16 Abs.2 WEG gedeckt. Es sei unklar, welche Verteilerschlüssel, derer es in der TE mehere gebe, geändert werden solle.
Die Kläger beantragen,
den Beschluss der Eigentümerversammlung v. 1.6.2022 zu TOP 2.1 für, … ungültig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert:
Eine generelle Änderung des Verteilerschlüssel für alle denkbaren Kostenarten sei möglich und v.d. Beschlusskompetenz gedeckt.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf ihre wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und ihre Terminerklärungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gem. § 44 Abs.1 S.1 WEG zulässige und rechtzeitig erhobene Anfechtungsklage ist begründet. Der angefochtene Beschluss widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung i.S.v. §§ 18 Abs.2 Nr.1, 19 Abs.1 WEG und entbehrt der Beschlusskompetenz der Versammlung.
1. Eine Abänderungskompetenz aus § 10 Nr. 6 der TE ist vorliegend nicht in Rede stehend, da unstreitig eine 75 %-Mehrheit, wie dort vorgesehen, nicht erreicht worden ist. Zudem erlaubt die Regelung nur Abänderungen des Kostenverteilerschlüssels im Einzelfall, z.B. nicht für die Zuführung zur Instandhaltuhgsrücklage (BGH, Urteil vom 9.7. 2010 – V ZR 202/09, Rn. 15; BGH, Urt. v. 1.4. 2011 – V ZR 162/10, Rn.13).
2. Eine Abänderungskompetenz aus § 16 Abs. 2 S. 2 WEG besteht nicht. Diese Regelung lässt zwar die generelle Änderung v. einzelnen Verteilerschlüsseln zu, aber diese müssen im Einzelnen enumerativ in dem jeweiligen Beschluss aufgeführt sein, schon, um dem – Transparenzgebot zu genügen (Hügel/Elzer, 3. Aufl. WEG, § 16 Rn. 51, Rn. 52; Hogenschurz/Bartholome, 3. Aufl. WEG, § 16 Rn. 111). Im Übrigen ist die notwendige sachliche Rechtfertigung (Hügel/Elzer, aaO; § 16 Rn. 62: auch bei § 16 Abs. 2 S. 2 WEG notwendig) nicht ersichtlich.
3. Zudem ist der Beschluss in mehrfacher Hinsicht unbestimmt, er muss aber bestimmt sein (Hogenschurz/Bartholome, 3. Aufl. WEG, § 16 Rn.119). Die Wortsentenz „zukünftig” zeigt den Geltungsbeginn nicht eindeutig auf. Eine – hier möglicherweise intendierte – rückwirkende Änderung für die künftige Abrechung bei bereits bestandskräftig beschlossenem Wirtschaftsplan mit den dortig genannten bisherigen Verteilerschlüsseln ist unstatthaft (BGH, Urteil vom 9. 7. 2010 – V ZR 202/09; BGH, Urt. v. 1.4.2011 – V ZR 162/10; Hogenschurz/Bartholome, 3. Aufl. WEG, § 16 Rn. 158). Zum anderen ist unklar, welche Verteilerschlüssel genau gemeint sind bzw. ob alle Verteilerschlüssel gemeint sind, z.B. auch derjenige, derMm Geltungsumfange außerhalb v. § 6 Abs. 4 HKVO gar nicht änderbar- auch aus der Heizungskostenverordnung (HKVO) folgt. Eine geltungserhaltende Auslegung ist nicht möglich.
Bereits eine schon nach dem Inhalt des Beschlusses über den Einzelfall hinausreichende Änderung des Schlüssele ist nicht von der Beschlusskompetenz gedeckt und daher nichtig (BGH a.a.O. NZM 2010, 622 = NJW 2010, 2654 [2655] m. w. Nachw.). Dass die Kläger beantragt haben, den Beschluss für ungültig zu erklären, hindert nicht die Feststellung der Nichtigkeit (BGH, BGHZ 182, 307 [314 ff.] = NZM 2009, 864 = NJW 2009, 3655).
Der Streitwert ist gem. § 49 GKG i.V.m. § 3 ZPO nach dem unwidersprochen gebliebenen klägerseitigen Vorschlag zu bestimmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 711 ZPO.
Fundstellen
Dokument-Index HI16416187 |