Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Bestimmtheit einer Regelung in der Teilungserklärung über Vorbehalte zugunsten der teilenden Eigentümer betreffend Baumaßnahmen und der Schaffung weiterer Sondereigentumsanteile sowie der Bestimmtheit eines diesem Vorbehalt einschätzenden Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung.

 

Tenor

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 29.01.2017 zu TOP 5 (Beratung und Beschluss über besondere bauliche Veränderungen und Aufwendungen) wird für ungültig erklärt.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leisten.

 

Tatbestand

Die Kläger verfolgen die Anfechtung von Beschlüssen einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

Die Kläger waren ursprünglich die teilenden Eigentümer der Wohnungseigentumsanlage in Kassel. Am 16.10.2010 errichteten sie eine Teilungsordnung (UR Nr. 441/2010 des Notars … in Kassel), in deren Nr. 111 als Anlage die Gemeinschaftsordnung inkorporiert wurde (im folgenden GO, auf BI. 1/20 ff. d.A. wird Bezug genommen). In § 15 GO sind zugunsten der Kläger als teilende Eigentümer mehrere Vorbehalte zur Abänderung der GO oder zur Durchführung von Aus- und Umbaumaßnahmen vorgesehen, insbesondere betreffend das noch nicht ausgebaute Dachgeschoss und den Einbau eines Aufzuges. Die derzeitigen Miteigentümer machen den Klägern diese Rechte weitgehend streitig. U.a. sind sie der Ansicht, die Vorbehalte zugunsten der Kläger seien zu unbestimmt. In der Eigentümerversammlung vom 29.01.2014 beschlossen die Eigentümer zum TOP 05 „Beratung und Beschluss über besondere bauliche Veränderungen und Aufwendungen” mehrheitlich wie folgt:

„Sämtliche bauliche Maßnahmen einschließlich der der Eingriffe in das Gemein schaftseigentum, die den Änderungsvorbehalt (§ 15 GO) betreffen und die nicht „aus drücklich und unmissverständlich” genannt sind oder die dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht genügen bzw. bei denen Zweifel an deren Bestimmtheit bestehen, erfordern die Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer im Sinne von § 22 Abs. 2 WEG.”

Hiergegen richtet sich die erhobene Anfechtungsklage.

Die Kläger berufen sich zunächst auf einen Ladungsmangel, da im Einladungsschreiben vom 26.11.2013 der TOP 05 lediglich so bezeichnet gewesen sei, dass Beratung und Beschluss über

besondere bauliche Veränderung und Aufwendungen durchgeführt werden sollte. Die tatsächliche Beratungs- und Beschlussmaterie – die Einschränkung des Rechts der Kläger aus § 15 GBO – könne darunter nicht verstanden werden, so dass den Klägern eine sachgerechte Vorbereitung der Versammlung zu dieser Materie nicht möglich gewesen sei. Die Kläger rügen weiter die fehlende Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung und sind der Ansicht, bei Baumaßnahmen in der von der Regelung des § 15 GO und des angefochtenen Beschlusses betroffenen Art könnten nie alle baulichen Maßnahmen ausdrücklich bestimmt sein, so dass es dem angegriffenen Beschluss seinerseits an der notwendigen Bestimmtheit fehle. Da die Regelung des § 15 GO wirksam sei, beschränke der angefochtene Beschluss die Rechte der Kläger in unzulässiger Weise.

Die Kläger beantragen,

festzustellen, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung der Wohnungseigen tumsanlage in Kassel, vom 29.01.2014 zu TOP 05 nichtig ist,

hilfsweise,

den Beschluss der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentumsanlage in Kassel, vom 29.01.2014 zu TOP 05 für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie rügen die Versäumung der Anfechtungsfrist. Die Einladung sei ordnungsgemäß erfolgt. Bereits in der Eigentümerversammlung vom 27.09.2013 sei mit derselben Überschrift über denselben Gegenstand beraten worden und die weitere Beratung auf die kommende Eigentümerversammlung vertagt worden. Dies sei die hier maßgebliche Eigentümerversammlung gewesen, so dass allen Beteiligten hinreichend erkennbar gewesen sei, welche Beratungs und Beschlussmaterie zur Diskussion angestanden habe. Darüber hinaus halten sie die Regelungen des § 15 GO für unwirksam. Sie seien zu unbestimmt, so dass der Eigentümerversammlung nach wie vor eine Beschlusskompetenz zukomme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Die Klageschrift ist am 28.02.2014 eingegangen. Mit Verfügung vom 06.03.2014 hat das Gericht die Kläger zu Streitwertangaben aufgefordert. Am 07.03.2014 ist ein Kostenvorschuss in Höhe von 430,00 EUR eingegangen. Mit Schriftsatz vom 31.03.2014 schlugen die Kläger eine vorläufige Streitwertfestsetzung von 5.000,00 EUR vor. Mit Verfügung vom 27.03.2014 beraumt das Gerichts frühen ersten Termin auf den 09.07.2014 an. Der Firma … Hausverwaltungen als Verwalterin der Wohnungseigentumsgemeinschaft sind Ladung und Klage am 01.04.2014 zugestellt worden.

Die mit Schriftsatz vom 02....

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