Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des neuen § 14 Abs. 1 InsO auf vor dem 1.1.2011 fällig gewordene Verbindlichkeiten verstößt gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Voraussetzungen für die weitere Zulässigkeit eines Insolvenzantrags bei zwischenzeitlichem Forderungsausgleich seitens des Schuldners nach § 14 Abs. 1 InsO a.F.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zulässigkeit eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt auch nach der Eröffnung, wenn der Schuldner die zugrunde liegende Forderung des antragstellenden Gläubigers vollständig beglichen hat und nicht die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 S. 2 und 3 InsO n.F. vorliegen.
2. Die Regelung des § 14 Abs. 1 S. 2 InsO n.F. beginnt frühestens ab dem 1.1.2011.
Normenkette
InsO § 14 Abs. 1 Sätze 2-3, Abs. 1; HBeglG 2011 Art. 3 Nr. 1
Tatbestand
I.
Mit Schreiben v. 31.3.2011, eingegangen am 5.4.2011, beantragte die Gläubigerin wegen ihrer Forderung auf rückständige Sozialversicherungsbeiträge und Umlagebeiträge sowie Säumniszuschlägen, Kosten und Gebühren für den Zeitraum v. Oktober 2010 – März 2011 i.H.v. 1.275,88 EUR zzgl. der weiter anfallenden Säumniszuschläge die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Das Gericht hat den Antrag zugelassen und den Schuldner mit Schreiben v. 6.4.2011 aufgefordert, ein vollständiges Verzeichnis seines Vermögens und ein vollständiges Gläubiger- und Forderungsverzeichnis vorzulegen.
Nach fruchtlosem Ablauf der dem Schuldner hierzu bestimmten Frist hat es durch Beschl. v. 6.5.2011 einen Insolvenzsachverständigen mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt.
Mit Schreiben v. 6.6.2011 teilte die Gläubigerin mit, dass der Schuldner „den Rückstand am 06.06.2011 getilgt” habe, den Insolvenzantrag aber unter Bezugnahme auf § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht in der Hauptsache für erledigt zu erklären, da innerhalb der letzten 2 Jahre vor dem Antrag ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt wurde.
Trotz eines Hinweises mit Schreiben des Gerichts v. 9.6.2011 erklärte die Gläubigerin mit Schreiben v. 21.6.2011, eingegangen am 23.6.2011, an dem Insolvenzantrag festzuhalten.
Entscheidungsgründe
II.
Der zum Zeitpunkt seines Eingangs beim AG Leipzig zulässige Antrag der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners ist nach seiner Zulassung unzulässig geworden.
Nach § 14 Abs. 1 InsO a.F. ist dessen Insolvenzantrag zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und das Bestehen seiner Forderung gegen den Schuldner und das Vorliegen eines Eröffnungsgrunds glaubhaft macht.
Macht der Gläubiger das Bestehen seiner Forderung und das Vorliegen eines Eröffnungsgrunds glaubhaft, liegt das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens i.d.R. vor.
Der Schuldner hat zwischen den Parteien unstreitig die dem Antrag der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens v. 31.3.2011 zugrunde liegende Forderung vollständig beglichen, wodurch eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit ihres Antrags im Nachhinein weggefallen ist.
Das Schreiben der Gläubigerin v. 21.6.2011 wird vom Gericht als Antrag nach § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 InsO n.F. ausgelegt.
Danach wird, wenn der Gläubiger dies beantragt und glaubhaft macht, dessen Insolvenzantrag nicht allein durch die Erfüllung der diesem zugrunde liegenden Forderung unzulässig, wenn „in einem Zeitraum von 2 Jahren vor der Antragstellung bereits ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt worden” war.
§ 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 InsO n.F. sind zusammen mit § 14 Abs. 3 InsO n.F. nach Art. 3 Nr. 1 Haushaltsbegleitgesetz 2011 mit Wirkung v. 1.1.2011 in Kraft getreten. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll damit die Möglichkeit geschaffen werden, die wirtschaftliche Tätigkeit insolventer Unternehmen einzuschränken und die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners möglichst frühzeitig abzuklären, auch um die Verluste die insbesondere Sozialversicherungsträger und der Fiskus durch Insolvenzanfechtungen erleiden, zu reduzieren.
Nach der bis dahin geltenden Rechtslage waren die Gläubiger im Fall der vollständigen Erfüllung der ihren Insolvenzanträgen zugrunde liegenden Forderungen durch den Schuldner und deren hierdurch bewirkten Unzulässigkeit gehalten, diese zurückzunehmen oder in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Damit dem Fiskus oder den Sozialversicherungsträgern die Möglichkeit eröffnet werden kann, das Entstehen neuer Verbindlichkeiten zu verhindern, ist der bisherige § 14 Abs. 1 InsO a.F. um die § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 InsO n.F. und § 14 Abs. 3 InsO n.F. ergänzt worden (s. hierzu BT-Drucks. 17/3030, S. 42).
§ 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 InsO n.F. finden nach Auffassung des Gerichts nach dem der Überleitungsvorschrift des Art. 103 EG-InsO zugrunde liegenden Rechtsgedanken im gegenständlichen Sachverhalt keine Anwendung.
Der „Zeitraum von 2 Jahren vor der Antragst...